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Neue Illusionen braucht die Stadt 30|10|2006 Wilhelmshaven (tj). Eberhard Menzel macht einen aufgeräumten Eindruck, der Schreibtisch des Oberbürgermeisters aber nicht. Es stapeln sich Fotos, Zeitungsausschnitte und weiteres Papier. Das macht 2sechs3acht4 neugierig.
2sechs3acht4: Guten Morgen, Herr Oberbürgermeister. Sie scheinen ja sehr beschäftigt zu sein.
Oberbürgermeister Menzel: Stimmt. Ich habe eine Wahnsinnsidee. Die bringt Wilhelmshaven in die Weltspitze, Arbeitsplätze entstehen, die Einwohnerzahl steigt endlich wieder, die Steuereinnahmen auch.
2sechs3acht4: So begeistert haben wir Sie noch nie gesehen.
Oberbürgermeister Menzel: Ich habe auch allen Grund dazu. Weg mit den Illusionen von gestern, her mit denen von heute. Unsere Augen müssen Ohren machen, wie es so schön heißt.
2sechs3acht4: Was planen Sie?
Oberbürgermeister Menzel: Ich mache ernst mit der Weltstadt Wilhelmshaven. Erste Tatsache: Für den JadeWeserPort dürfen wir 40 Millionen Kubikmeter Sand abbauen. Diesen Sand lenke ich um.
2sechs3acht4: Umleiten? Wohin umleiten?
Oberbürgermeister Menzel: Sie kennen doch die Sandskulpturen von Tossens. [Der Oberbürgermeister zeigt ein Foto.] Die sind ein Magnet für Touristen. Wir stellen ab Januar 2007 auch in Wilhelmshaven Sandskulpturen her. Den Rüstringer Friesen aus Sand. Für jeden Friesen brauchen wir drei Arbeiter und einen Künstler, 5000 Friesen stellen wir im Jahr her, macht 20 000 Arbeitsplätze.
2sechs3acht4: Dürfen wir einen Einwand machen?
Oberbürgermeister Menzel: Wenn es sein muss.
2sechs3acht4: Er wird Ihnen hoffentlich nicht weh tun. Aber als Figur, die gleichsam aus Sand entsteht, nehmen Sie doch wohl nicht das Gerippe, das neuerdings für Wilhelmshaven Werbung macht?
Eberhard Menzel: Wo denken Sie hin? Für dieses Gerippe brauchen wir doch kaum Sand. Ich will klotzen! Wir nehmen den alten Rüstringer Friesen.
2sechs3acht4: Hört sich gut an. Und was geschieht mit den Skulpturen?
Oberbürgermeister Menzel: Die verkaufen wir in alle Welt. Für den Transport brauchen wir schüttelfreie Lkw´s. Die werden ebenfalls in Wilhelmshaven produziert. Die Verhandlungen laufen. Auch in der Lkw-Branche erobern wir die Weltspitze.Außerdem rechne ich mit 1.000 weiteren Arbeitsplätzen.
2sechs3acht4: Und die Einwohnerzahl von Wilhelmshaven schnellt wieder auf über 100.000?
Oberbürgermeister Menzel: Genau. Vor drei Jahren haben wir ja bereits angekündigt, dass wir Oldenburg Einwohner abjagen werden.
2sechs3acht4: Was bisher ja nicht so ganz gelungen ist. Die Einwohnerzahl von Oldenburg steigt munter Jahr für Jahr. Die Stadt liefert sich schon ein Wettrennen mit Osnabrück.
Oberbürgermeister Menzel: Ich weiß. Aber warum steigt denn die Einwohnerzahl von Oldenburg? Darüber habe ich lange nachgedacht.
2sechs3acht4: Und wie lautet das Ergebnis?
Oberbürgermeister Menzel: Die Geschäftsführerin der Tourismus und Freizeit GmbH ist doch aus Oldenburg.
2sechs3acht4: Sie meinen die Dame, die am Geniusstrand eine Info-Box für den JadeWeserPort einrichten will, sozusagen als Touristenattraktion, obwohl Sie an diesem Strand alles haben wegmähen lassen, bis auf den Sand, den Sie nun vielleicht auch noch gut gebrauchen können.
Eberhard Menzel: Wie dem auch sei. Seit sie in Wilhelmshaven arbeitet, steigt jedenfalls die Einwohnerzahl von Oldenburg. Das ist die zweite Tatsache. Die dritte ist - und damit bin ich bei Osnabrück: Der Christian Wulff wohnt doch neuerdings mit seiner Freundin in Hannover. Fällt Ihnen was auf?
2sechs3acht4: Sie sehen auch da einen Zusammenhang? Ich weiß nur, dass die Einwohnerzahl von Hannover zwar nicht dramatisch - aber immerhin sinkt.
Oberbürgermeister Menzel: Und - da sind wir uns doch einig - die Einwohnerzahl von Osnabrück steigt.
2sechs3acht4: Wenn Sie konsequent sind, müssten Sie die Geschäftsführerin der Tourismus- und Freizeit GmbH nach Oldenburg zurück schicken.
Eberhard Menzel: Von mir aus kann sie auch in Osnabrück arbeiten...
2sechs3acht4: So kennen wir Sie. Sie setzen den Leuten nicht die Pistole auf die Brust. Sie lassen Ihnen Raum für eigene Entscheidungen.
Oberbürgermeister Menzel: Deswegen entscheide ich jetzt auch, dass wir das Gespräch beenden.
2sechs3acht4: Und wo bleibt da mein Freiraum?
Oberbürgermeister Menzel: Im Internet. Auf Wiedersehen.
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