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Der Doppelgänger
21|05|07
Wilhelmshaven (tj). Der Kinderchor singt, Children-Scout
Eberhard Menzel sinkt auf einen Stuhl, kraft- und mutlos
nach den Streichen, mit denen man ihm übel mitgespielt
hat, spielt gerade ein blondes Mädchen das bekannte Lied
auf der Mundharmonika, der Chor singt lauter denn je, und
Menzel sinkt tiefer denn zuvor.
Die Kinder [strapazieren ihre Stimmbänder]:
Es gibt nur ein´ Eberhard Menzel, ein´ Eberhard Menzel.
2sechs3acht4 [setzt sich neben den Children-Scout]:
Dem es aber gar nicht gut zu gehen scheint.
Oberbürgermeister Menzel [knittert sein Gesicht zu einem
Häufchen Elend]:
Man hat mir übel mitgespielt. So übel.
2sechs3acht4 [will munter bleiben]:
Erzählen Sie. Das befreit.
Oberbürgermeister Menzel [zieht die Augenbrauen zusammen
und die Beine an]:
Ich habe einen Doppelgänger.
Die Kinder [singen etwas anderes]:
Nur ein´ Eberhard Menzel, ein´Eberhard Menzel.
2sechs3acht4 [stimmt dem Chor zu]:
Das kann nicht sein. Sie sind nun wirklich einmalig, einmaliger
geht es gar nicht.
Oberbürgermeister Menzel [sieht noch keinen Silberstreifen
am Horizont]:
Von wegen! Mein Nachfolger hat einen Doppelgänger gefunden,
den schickt er nun zu den Terminen. Und schlimmer noch: Mein
Doppelgänger hält Reden, die meinen Ruf ruinieren.
2sechs3acht4 [kennt die brillanten Reden, die der Children-Scout
gehalten hat, als er noch Oberbürgermeister war]:
Haben Sie ein Beispiel für mich?
Oberbürgermeister Menzel [sinkend, sinkender, am sinkendsten]:
Mehrere. Bei der Eröffnung der Badesaison am Südstrand hat mein
Doppelgänger gesagt: "Nun ist ja, meine Damen und Herren, ein
Thema in den letzten Monaten hoch gekocht worden, auch heute
hat es wieder eine Gruppe gegeben, die versucht, Wilhelmshaven
und den Ruf Wilhelmshavens als Südstrand in den, im wahrsten
Sinne des Wortes, in den Schmutz zu ziehen, meine Damen und
Herren. Das scheint langsam Tradition zu sein, dass diejenigen,
die meinen, die Interessen der Stadt zu vertreten, in Wirklichkeit
diejenigen sind, die die Interessen der Stadt im wahrsten Sinne
des Wortes mit den Füßen treten, meine Damen und Herren." Das
kann doch keiner ertragen. Schmutz, der hoch gekocht wird?
Wilhelmshaven als Südstrand? Erst Schmutz hoch kochen und
dann ziehen? Das ist doch, pardon, Scheiße.
2sechs3acht4 [stimmt überein]:
Im wahrsten Sinne des Wortes. Außerdem sind das sehr schiefe
Bilder. Die passen wirklich nicht zu Ihnen.
Oberbürgermeister Menzel [sinkt erst einmal nicht weiter]:
Danke, dass Sie das sagen. Aber auch im Rat benimmt er sich
wie die Axt im Walde. Den Hafengegnern, die nun an den
Aufsichtsratssitzungen der Wirtschaftsförderung teilnehmen
dürfen, droht er damit, zukünftig bei den Sitzungen nichts
mehr über den Hafen zu sagen. Da spitzt doch jeder die
Ohren und denkt, dass früher gemauschelt worden ist. Ich
mauschele nicht, nie.
2sechs3acht4 [hat immer die Amtsführung des ehemaligen
Oberbürgermeistes bewundert]:
Nichts liegt Ihnen ferner.
Oberbürgermeister Menzel [richtet sich langsam wieder auf]:
Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Nichts, aber auch gar nichts.
Doch mein Doppelgänger wirft immer längere Schatten auf
meine strahlende Vergangenheit.
2sechs3acht4 [hofft, dass die Schattenzeit des Doppelgängers
nicht von Dauer sein wird]:
Sie müssen sich wehren. Haben Sie schon einen Plan?
Oberbürgermeister Menzel [macht sein Kreuz gerade,
entknittert sein Gesicht und perlweißt endlich wieder]:
Ich besuche mit den Kindern den nächsten Termin, bei dem
mein Doppelgänger auftaucht und dann singt der Chor, damit
es alle wissen...
Die Kinder [haben das Gespräch verfolgt und einiges
missverstanden]:
Es gibt zwei Eberhard Menzel, zwei Eberhard Menzel...
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