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Rede zur Demonstration für den Kohleausstieg am Uniper-Kraftwerk in Wilhelmshaven
Alexander von Fintel währends seiner Rede.
16-09-2019 | Auch in Wilhelmshaven setzt sich das Bewusstsein langsam aber sicher durch, dass man nicht mehr tatenlos zusehen kann, wie sich das Klima verändert.
- Es gilt das gesprochene Wort -
Liebe Freundinnen und Freunde: Vielen Dank, dass ihr hier seid.
Vor gerade mal zwei Jahren war Bundestagswahlkampf. Ich erinnere mich noch, dass einige Grüne damals damit angefangen haben, nicht mehr "nachhaltig" zu sagen, sondern lieber "enkeltauglich" - denn das Wort "nachhaltig" wird inzwischen für alles Mögliche ge- und missbraucht. Vor zwei Jahren habe ich mir gedacht, dass "e nkeltauglich" sich vielleicht nicht durchsetzen wird, die Idee sei aber schon nicht schlecht.
Wenn ich aber heute die Meldungen über den Fortschritt des Klimawandels höre, denke ich nicht an meine Enkel, die noch nicht geboren sind. Ich denke nicht mal ausschließlich an meine Kinder, die 13 und 15 Jahre alt sind. Ich habe Angst vor dem, was ich selbst in den nächsten 30 oder vielleicht 40 Jahren erleben werde.
Wir erleben Dinge, die vor nur wenigen Jahren kaum vorstellbar waren bzw. erst in ferner Zukunft geschehen sollten - und das auch nur, wenn wir die Energiewende nicht schaffen sollten. In Grönland ist das Eis in diesem Jahr so schnell geschmolzen, dass kleine Bäche zu großen Flüssen angewachsen sind und Brücken zerstört haben [1]. Das Eis schmilzt dreimal schneller als zum Ende des letzten Jahrhunderts – über 250.000.000 Tonnen verschwinden jedes Jahr [2]. Tendenz natürlich steigend.
In Kanada schmilzt der Permafrost, der nach Einschätzungen der Wissenschaft selbst bei schlimmen Szenarien erst in 70 Jahre schmelzen sollte [3]. Dabei werden riesige Mengen an klimaschädlichem Methan freigesetzt. Wenn ich solche Dinge höre, frage ich mich nicht, wie wir den Kohleausstieg jetzt anfangen sollten, sondern warum wir nicht schon vor zehn Jahren angefangen haben.
Eine kleine aber feine Gruppe, endlich ´mal mit jungen Menschen durchsetzt, demonstrierte vor dem Uniper-Kraftwerk in Wilhelmshaven.
Und das letzte Mal, dass es über 400 ppm CO2 in der Atmosphäre gab - und wir sind jetzt bei über 410 ppm - war die Antarktis im Sommer eis-frei. Die globalen Temperaturen waren im Schnitt 3-4 Grad wärmer. In der Antarktis war es aber über 20 Grad wärmer - und der Meeresspiegel war 15-20 Meter höher [4].
Es ist nicht fünf vor Zwölf, sondern mindestens fünf nach. Und viele der Dinge, die die Menschheit gemacht hat, werden wir - und unsere Kinder und Enkelkinder - mit viel Mühe rückgängig machen müssen. Dass Deutschland in den letzten zehn Jahren seinen CO2-Ausstoß kaum reduziert hat [5] und seine Klimaziele für 2020 verfehlen wird [6], ist ein Skandal, der leider kaum für Aufregung sorgt.
Was können wir tun? Wir, die wir hier stehen - im Weltgeschehen kleine unbedeutende Leute - können vielleicht nicht viel mehr machen, als auf solchen Demonstrationen unsere Meinung zu sagen. Aber selbst das kostet Kraft. Hier als Wilhelmshavener zu stehen und die Schließung des eigenen Kraftwerkes zu fordern, kommt nicht bei allen gut an.
Und wenn man uns fragt: "Was würdet ihr dann den Beschäftigten sagen?", müssen wir darauf auch eine Antwort haben!
Ich würde als erstes sagen: Es tut mir wirklich leid. Es macht mir keine Freude, wenn jemand seinen Job verliert. Aber Sie können Hoffnung haben.
Denn Wilhelmshaven fehlt es an Fachkräften. Leute, die zuverlässig arbeiten, werden gesucht. Dass Ihr Werk geschlossen werden muss, hat Uniper in Gesprächen mit den Grünen - und diese Gespräche hat es gegeben – mit keinem Wort bestritten. Die einzige Frage ist wann. Und das sollte die Politik in Berlin so schnell wie möglich beschließen, damit Sie wissen, was Sie erwartet.
Außerdem würde ich sagen: Die Energiewende schafft viel mehr Arbeitsplätze als sie kostet. Über die Hälfte der fast 700.000 Beschäftigten im Energiesektor arbeiten bereits im Bereich umweltfreundlicher Energie [7], obwohl erst rund 40 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen kommt [8].
Und ich würde sagen: Der Klimawandel hat viel mehr Menschen ihre Existenz gekostet, als die Energiewende es tun wird. Ich rede von den vielen Landwirten in Westafrika, Indien, Australien und Kalifornien, um nur einige Regionen zu nennen. Und sicherlich gibt es Landwirte hier in Deutschland, die eine letzte schlechte Ernte nicht verkraftet haben und ihre Höfe aufgeben müssten.
Liebe Freundinnen und Freunde, beim Klimawandel geht es leider nicht nur um Geld oder Arbeitsplätze. Beim Klimawandel geht es leider auch schon um Menschenleben. Die vielen Extremwetterereignisse, die wir in den letzten Jahren erleben, sind ein Zeichen des Klimawandels. Auch wenn jedes einzelne Ereignis vielleicht auch so hätte passieren können, ist die Häufung nicht anders zu erklären. Zum Beispiel erleben wir zum allerersten Mal vier Jahre in Folge einen Hurrikan der Kategorie 5 im Atlantik. Dorian hat dieses Jahr über 50 Menschenleben gekostet [9].
Der Klimawandel ist auch für uns hier in Wilhelmshaven eine konkrete Bedrohung. Die gefährlichen Zecken, die FSME und Borreliose übertragen, breiten sich immer weiter in Richtung Norden aus. Im Emsland hat es schon die ersten FSME-Fälle gegeben.
Vor allem sollte uns der steigende Meeresspiegel Sorgen machen. Wie lange wird es dauern, bis die ersten Inseln bei einer Sturmflut überschwemmt werden? Wie lange wird unser Weltnaturerbe Wattenmeer noch existieren? Denn Wattenmeer gibt es nur, wenn das Watt bei Ebbe nicht unter Wasser ist.
Leider ist es so, dass das, was uns wichtig ist - unsere Küste, unsere Häuser, unsere Stadt und die grüne Landschaft drumherum -, auf Dauer nur bestehen kann, wenn nicht nur dieses Kohlekraftwerk, sondern irgendwann auch das neuere Engie-Werk geschlossen wird.
Wir haben schon viel zu lange gewartet. Jetzt muss endlich etwas passieren!
Quelle: Alexander von Fintel | Organisator Demonstration für den Kohleausstieg am Uniper-Kraftwerk in Wilhelmshaven
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