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Hartz-IV-Regelsätze grundlegend neu ermitteln 08|11|2016
Jobcenterverständnis: Hauptsache die Arbeitslosenstatistik "stimmt"?
Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum
Die Hartz-IV-Regelsätze sind nicht bedarfsdeckend und müssen grundlegend neu ermittelt werden. Zudem sollen Leistungsberechtigte wirksame Soforthilfen erhalten. Dies fordern der DGB, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Erwerbslosengruppen in einer gemeinsamen Erklärung, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.
Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass die Regelsätze zum Jahreswechsel nur geringfügig steigen, etwa für Alleinstehende von 404 Euro auf 409 Euro. Diesen Geldbetrag hat die Regierung aus den statistisch erfassten Ausgaben der 15 Prozent der Single-Haushalte mit den geringsten Einkommen abgeleitet. DGB und Verbände kritisieren unter anderem, dass diese Vergleichsgruppe selbst armutsgefährdet sei und zudem noch viele Abschläge vorgenommen würden. Damit setze die Bundesregierung eine langjährige Praxis fort, statt die nötigen Korrekturen vorzunehmen.
"Die Bundesregierung hat erneut viele Stellschrauben so justiert, dass zwangsläufig niedrige Regelsätze herauskommen müssen", kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die Datenbasis für die Regelsätze für Kinder sei unbrauchbar, da viele Posten auf den Angaben von weniger als 100 Haushalten beruhten, die Mobilitätskosten sogar nur auf 12 Haushalten. "Sogar nicht valide Daten werden in Kauf genommen, um den Regelsatz niedrig zu halten. Das nenne ich militantes Kleinrechnen des Regelsatzes", so Buntenbach weiter.
Maria Loheide, Vorstandsmitglied der Diakonie Deutschland, kritisierte die Auswirkungen für Kinder. "Ein Eis im Sommer, Zeichenstifte, Eintrittskarten für Schulveranstaltungen, eine Haftpflichtversicherung, Zimmerpflanzen oder ein Weihnachtsbaum wurden als unnötig gestrichen", erläuterte Loheide. "Auch Religiöse und andere Feste gehören zur sozio-kulturellen Teilhabe. Wir schlagen vor, für alle Kinder im Leistungsbezug hierfür zumindest 30 Euro im Jahr vorzusehen", forderte Loheide für die Diakonie.
Neben Erwerbslosen müssten auch viele Rentnerinnen und Rentner, Pflegebedürftige, chronisch Kranke oder Menschen mit Behinderung von den Regelsätzen leben, betonte Gabriele Hesseken vom Sozialverband Deutschland: "Diese Menschen sind dauerhaft - in den meisten Fällen bis an ihr Lebensende - auf existenzsichernde Leistungen angewiesen". Oftmals fielen besondere Ausgaben an. "Sei es der Lieferdienst des örtlichen Supermarkts oder das Essen auf Rädern - all diese Dienste kosten Geld, das den Betroffenen nicht zugestanden wird", kritisierte Hesseken.
"In vielen Orten kostet ein verbilligtes Sozialticket deutlich mehr als der Regelsatz vorsieht", erläuterte Ulla Pingel, Sprecherin der ver.di-Erwerbslosen. Wer auf dem Land lebe, sei besonders eingeschränkt, da Ausgaben für Benzin gar nicht im Regelsatz vorgesehen seien. "Erwerbslose und andere Grundsicherungsbezieher werden so ausgegrenzt", sagte Pingel weiter. "Mobil zu sein ist wichtig, für die Arbeitsuche und für die soziale Teilhabe."
Neben der grundlegenden Neuermittlung fordern DGB und Verbände auch schnell wirksame Hilfen. So soll es zusätzliche Extra-Leistungen geben, wenn eine Waschmaschine, ein Kühlschrank oder eine Brille angeschafft werden müssen. Der Eigenanteil für das Mittagessen in der Schule soll entfallen und die Leistung für Schulmaterialien an die tatsächlichen Kosten angepasst werden.
Das Gesetzgebungsverfahren zu den geplanten Regelsätzen geht im Bundestag am 9. November in die entscheidende Phase. Der Bundesrat muss den Regelsätzen ebenfalls noch zustimmen.
Quelle: DGB
DGB, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Erwerbslosengruppen engagieren sich seit 2012 gemeinsam im "Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum" für bedarfsdeckende Regelsätze.
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