Raffinerie Wilhelmshaven: Der Mensch als Ware? 18|04|2011
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Schon länger werden die Arbeitnehmer der Raffinerie Wilhelmshaven verunsichert.
Sie wissen nicht, ob sie arbeitslos werden, weil der Betreiber Conoco Phillips keine genauen Details preisgibt, ob er die Raffinerie einem echten Interessenten weiterverkaufen möchte, oder selbst mit ca. 10 Prozent des ehemaligen Mitarbeiterstamms als reines Tanklager weiterführen will.
Seit einigen Monaten dokumentieren wir filmisch einige Aktionen der Belegschaft, sammeln Aussagen und stellen sie ins Internet.
Beeindruckend ist das Engagement des Betriebsrates und der wachsende Unmut über die "Salami-Taktik" des Weltkonzerns.
Der Betriebsratsvorsitzende Uwe Geertsema lässt sich nicht einschüchtern, im Gegenteil, zusammen mit den Arbeitnehmern und der Gewerkschaft IGBC erarbeitete man ein eigenständiges Konzept zur Weiterführung der Raffinerie, das der Konzern ablehnte.
Wilhelmshaven hat leidvolle Erfahrungen mit diesen Kräften der Globalisierung machen müssen, aber auch mit eigenen wirtschaftlichen Fehlleistungen und deutlichen Innovationshemmern im Stadtparlament. Trotz heftiger Rückschläge verbunden mit einem enormen Arbeitsplatzabbau klammert man sich förmlich an veraltete und hochkonservative Strukturen. Ein Name ist in diesem Zusammenhang immer wieder zu nennen: Dr. Leisler Kiep, bestens Vernetzt mit Politik und Industrie und heute Ehrenvorsitzender des "Atlantik-Brücke e. V.", einem sogenannten "Think Tank" in dem sich Vertreter der Industrie, hochrangige Journalisten, aber auch Politiker jeglicher Couleur regelmässig treffen, um über die Geschicke der Welt zu diskutieren, aber auch zu entscheiden.
Nur zu oft haben die ortsansässigen KommunalpolitikerInnen diesen angeblichen Heilsbringern vertraut. Wilhelmshavens Potential wird somit auch in die Hände dieser Wirtschaft-Leader gelegt, ohne das Muster zu verändern oder neue Strukturen auf ihre Wertschöpfung hin mit zu untersuchen.
Das dicke Ende erlebt Wilhelmshavens Wirtschaft in andauernden Wiederholungen des Niedergangs. Es tritt allerdings kein Lerneffekt ein und so "buttert" man Steuergelder weiterhin fast ausschliesslich in Großprojekte und propagiert zusammen mit dem lokalen Heimatblatt ganz offen das Prinzip Hoffnung.
Den Vorwurf, das der Mensch in der globalisierten Welt nur noch als Ware dient, muss sich die Stadt Wilhelmshaven inzwischen selbst gefallen lassen, denn auch hier werden Betriebe privatisiert und innerhalb dieser neu geschaffenen Strukturen gibt es eine Zweilohn-Gesellschaft. Nebeneinander arbeiten im Reinhard-Nieter Krankenhaus, aber auch den Technischen Betrieben Wilhelmshaven [ehemals Wilhelmshavener Entsorgungsbetriebe] Menschen, die die gleiche Arbeit für unterschiedliche Löhne erledigen.
Der Kultur und Umweltdezernent Dr. Jens Graul sprach in der Sendung WISO am 11. August 2008 vom Zukunftsmodell der Kommunen.
Der förmliche Beistand führender städtischer PolitikerInnen verblasst vor diesem Hintergrund und wirkt mehr als zwiespältig, wenn man weiss, wieviele Aufsichtsratsposten sich hinter so manchem kommunalen Volksvertreter verbergen. Somit sind diese gewählten VolksvertreterInnen ebenso verwoben mit betrieblichen Interessen, als auch mit denen der BürgerInnen.
Wilhelmshaven bräuchte dringend einen radikalen Schnitt in Richtung Erneuerung, sonst werden die BürgerInnen weiterhin unter veralteten Wirtschaftsvorstellungen und allzu oft nach einer Kritik beleidigten Geistern, weiterleiden.
Den Versprechungen einer Industriegemeinschaft, deren Philosophie mit "Gewinne privatisieren und Schulden sozialisieren" ganz schnell auf den Punkt gebracht ist, braucht weder die Welt, noch Wilhelmshaven. Die Globalisierung und der im Zusammenhang von den Industriellen oder auch Banken eingeforderte Neoliberalismus, machen genau dies möglich.
Kein Geringerer, als Hermann Scheer[* 29. April 1944 in Wehrheim - † 14. Oktober 2010 in Berlin] hat vehement gefordert, dass die Politik sich ihre Autorität wieder zurückholen muss.
Man kann eigentlich nicht oft genug wiederholen, was er im Film "Lets make money" zu Privatisierung und Neoliberalismus äusserte: Zitat: „Im neoliberalen Zeitalter ist alles verkürzt auf die aktuelle Erzielung einer höchst möglichen Rendite, koste es was es wolle.“ [Quelle: Let´s make money | Hermann Scheer]
Mit der realen Geschichte, wie dem Kampf der MitarbeiterInnen um den Erhalt der Raffinerie, erleben wir quasi live und "vor der Haustür" einen dramatischen Verfall der Werte, in dem der Mensch immer mehr zur Ware verkommt.
Wilhelmshavens Heil weiterhin in die Hand von Großinvestoren zu legen konterkariert geradezu die Aussage, sich für Arbeitnehmer einsetzen zu wollen.
Wir werden das bemerkenswerte Engagement der RaffineriemitarbeiterInnen und den MitstreiterInnen als "Vorzeigeobjekt" weiter dokumentieren, damit auch die kommunalen VolksvertreterInnen rund um die Uhr ihre Entscheidungen und die damit verbundenen Konsequenzen immer im Auge behalten können.
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