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Rede zum Tag der Arbeit
03|05|2016



Ruben Eick während seiner Rede auf der Außenbühne des Pumpwerks.

1. Mai 2016 in Wilhelmshaven

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich freue mich sehr, heute bei euch in Wilhelmshaven zu sein! Nicht nur, weil ich als Oldenburger immer gern im Nordwesten unterwegs bin, sondern vor allem, weil heute die DGB-Jugend die Hauptrede halten darf. Das ist für uns Anerkennung und Ansporn zugleich! Vielen Dank also für eure Einladung und den Schwerpunkt "Jugend"! 
 
"Zeit für mehr Solidarität" – so lautet unser diesjähriges Motto für den 1. Mai. Und selten hat es so gut gepasst wie heute. Ständige Angriffe auf die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Wahlerfolge von rechten Hetzern und eine Asylrechtsdebatte, die oft auf einem derart armseligen Niveau geführt wird, das Erinnerungen an ganz andere Zeiten aufkommen.
 
Und inmitten all dieser Themen die Frage, wie eine jugendgerechte und solidarische Gesellschaft zukünftig aussehen soll. Insbesondere für uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ist diese Frage von riesiger Bedeutung. Die junge Generation befindet sich im Aufbruch, heißt es dabei immer. Doch wohin soll die Reise gehen? Welche Perspektiven haben junge Menschen in Niedersachsen? In welcher Gesellschaft möchten Jugendliche und junge Erwachsene eigentlich leben? Und wer fragt sie überhaupt danach?  
 
Die DGB-Jugend beschäftigt sich mit all diesen Fragen. Dabei geht es uns immer um eine jugendgerechte Ansprache, die sich an den Themen der jungen Kolleginnen und Kollegen orientiert. Wir reden nicht ÜBER Jugendliche, sondern MIT ihnen!
 
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gewerkschaften und vor allem die Gewerkschaftsjugend verändern sich auch: Als viele unserer jugendlichen Aktiven geboren wurden, Anfang und Mitte der 1990er, da waren die meisten Mitglieder in der Gewerkschaftsjugend klassische Facharbeiter_innen. Es gab damals noch viele Kolleginnen und Kollegen, die 40-jährige Jubiläen und mehr in einem Betrieb zu feiern hatten. 
 
Und heute? Vor allem durch die Arbeitsmarktreform der rot-grünen Regierung, mit der Agenda 2010, hat sich vieles verändert. Heute, knapp 25 Jahre später, sehen wir ein anderes Bild: Natürlich gibt es weiterhin noch viele junge Auszubildende aus den großen Betrieben; aber sie finden sich heute in einer Gewerkschaftsjugend wieder, in der sich auch junge Studierende engagieren. Die Gewerkschaftsjugend ist so vielfältig geworden, wie die Lebensverläufe der jungen Generation: Arbeiter_innenkinder, die studieren; Studierende mit unterschiedlicher sozialer Herkunft, die nebenbei arbeiten; junge Akademikerinnen und Akademiker, die mit einem prekären Berufseinstieg zu kämpfen haben. Junge Migrantinnen und Migranten, die mit ihren spezifischen Sorgen im Betrieb oftmals nicht ernst genommen werden.
 
Wir alle streiten gemeinsam in der Gewerkschaftsjugend für gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen. Wir kämpfen gemeinsam für soziale Gerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen! Und das ist auch bitter nötig.
 
Denn es sind besonders die Jungen, die in diesem Land in die Zange genommen werden. Wer – wie die Arbeitgeber in Niedersachsen – ständig vom Fachkräftemangel schwadroniert, muss sich auch um seine Fachkräfte kümmern. Aber immer mehr Unternehmen stehlen sich aus ihrer Verantwortung, für eine ordentliche Ausbildung zu sorgen. Jahr für Jahr stehen tausende junge Menschen ohne Ausbildungsplatz da. So werden sie abgehängt und ihrer Perspektive beraubt. 
 
Es ist doch ein Skandal, dass in Deutschland nur noch jedes fünfte Unternehmen überhaupt ausbildet! Wo sollen denn die zukünftigen Fachkräfte herkommen? Direkt aus dem Assessment-Center des Arbeitgeber-Verbandes? Wir lassen uns doch nicht für blöd verkaufen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Betriebe sind in der Verantwortung!
 
Und auch die Politik gibt kein gutes Bild ab: Obwohl die Ausbildungsgarantie im rot-grünen Koalitionsvertrag verankert ist, warten wir immer noch auf die Umsetzung. Wir fordern die Landesregierung auf, endlich Wort zu halten! Jugendliche, die aufgrund mangelnder Ausbildungsangebote keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden, brauchen eine staatlich geförderte, außerschulische, betriebsnahe Berufsausbildung, die mit einer Kammerprüfung abschließt. In unserer Nachbarschaft, in Hamburg und Bremen, ist das doch schon längst Praxis. 

Jahr für Jahr veröffentlichen wir als DGB-Jugend den Ausbildungsreport, um ein qualifiziertes Bild der Realität in den Ausbildungsbetrieben zeichnen zu können. Und Jahr für Jahr können wir traurigerweise mit den gleichen Textbausteinen arbeiten, weil die Ausbildungsqualität in vielen Branchen miserabel ist! Hier an der Küste kennen wir das ja alle. Was in einigen Betrieben im HoGa-Bereich abläuft, ist kriminelle Ausbeutung von jungen Menschen, und sonst gar nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen!
 
Der DeHoGa hat schon vor Jahren die eigenen Betriebe sinngemäß gebeten, sich doch wenigstens ab und zu an gesetzliche Regelungen zu halten. Was soll man dazu denn noch sagen? Als Beitrag zur aktuellen Satire-Debatte ist sowas jedenfalls viel zu traurig!
 
Wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter fordern gute und qualifizierte Ausbildungsbedingungen. Ohne Überstunden, ohne ausbildungsfremde Tätigkeiten und mit Mitbestimmungsmöglichkeiten auf Augenhöhe. Vielen Dank an dieser Stelle an die vielen JAVis, Betriebs- und Personalräte, die sich tagtäglich für ihre jungen Kolleginnen und Kollegen engagieren – eure Arbeit ist der Garant dafür, dass wir noch keine flächendeckenden Wild-West- Verhältnisse in Niedersachsen haben!
 
Aber es ist ja nicht so, dass man all die genannten Missstände nicht politisch lösen könnte! Mit einem überarbeiteten Berufsbildungsgesetz ließe sich so viel für unsere jungen Kolleginnen und Kollegen verbessern. Diese Überarbeitung wurde im schwarz-roten Koalitionsvertrag in Berlin auch festgeschrieben. Seit Monaten engagiert sich die Gewerkschaftsjugend deshalb bundesweit für eine BBiG- Novelle im Sinne der Jugendlichen. Und was macht das zuständige Bundesbildungsministerium? Ihr könnt es euch denken: Nichts! Die Änderungen, die das Ministerium von Frau Wanka nun vorgeschlagen hat, sind ein Witz, liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ein sehr schlechter. Sie berücksichtigen die Interessen der Auszubildenden in keinster Weise! Die Bundesbildungsministerin hat nicht vor, irgendetwas für Auszubildende zu tun!
 
Und das werden wir so nicht hinnehmen! Wir bringen Bewegung in dieses Verfahren und die Bundespolitik, damit die Interessen von Auszubildenden auch endlich von Politikerinnen und Politikern gehört werden. Wir brauchen eine wirkliche Novellierung des BBiG, um die Ausbildungsbedingungen in Deutschland zu verbessern, die Qualität zu erhöhen und unsere jungen Kolleginnen und Kollegen vor Ausbeutung zu schützen.
 
Aber auch in guten Ausbildungsbetrieben hat sich einiges zum Nachteil verändert: Nach der Ausbildung oder dem Studium sieht der Einstieg ins Arbeitsleben für viele junge Menschen nicht rosig aus: Dauerbefristungen, Leiharbeit, Werkverträge, Teilzeitstellen und schlechte Bezahlung, das sind die Probleme der jungen Generation am Arbeitsmarkt. Das Normalarbeitsverhältnis – also die unbefristete Vollzeitbeschäftigung – stellt für junge Menschen heute keine Normalität, sondern eine Ausnahme dar. Das ist der nächste Skandal, liebe Freundinnen und Freunde! 
 
Um überhaupt einen Fuß in die Tür des Berufslebens zu bekommen, müssen leider viele Jugendliche heute die Kröte schlucken und einen unsicheren Berufseinstieg hinnehmen! Und wir alle wissen, dass diese Formen der Beschäftigungsverhältnisse zunehmen. Immer häufiger stellen Unternehmen junge Beschäftigte mit Hilfe von Tochterfirmen ohne Tarifbindung über Werkverträge ein. Werkverträge sind aber längst kein Phänomen der Dienstleistungssektoren, wir finden sie branchenübergreifend: In der Automobilindustrie etwa sind rund ein Viertel der Arbeiterinnen und Arbeiter über Werkverträge beschäftigt. 
 
Und noch ein Beispiel, diesmal aus der Chemieindustrie: Eine ausgebildete Industriemechanikerin, die über einen Werkvertrag eingestellt wurde, erhält den gesetzlichen Mindestlohn. Aber ihre Kolleginnen und Kollegen, die direkt einen Vertrag über den Arbeitgeber bekommen haben, erhalten natürlich den höheren tariflichen Lohn für die gleiche Arbeit. 
 
Und das ist eine Sauerei, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie ungerecht ist es, dass die junge Kollegin, die in dem Betrieb gelernt hat, nicht direkt übernommen und festangestellt wird? Und natürlich wird sie den Werkvertrag annehmen, da ihr der Job Spaß macht, sie ihre Kolleginnen und Kollegen kennt und sie sich eine langfristige Zukunftsperspektive in ihrem Ausbildungsbetrieb erhofft. Und das kann man ihr auch nicht verdenken. Sie erledigt also die gleichen Tätigkeiten wie andere Beschäftigte und bekommt nur fast die Hälfte des Stundenlohns. 
 
Wir fordern deswegen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Schluss mit dem Missbrauch von Werkverträgen!
 
Prekäre Berufseinstiege haben in unserer Generation kein Geschlecht. Sie betreffen junge Männer und Frauen zugleich. Das heißt aber nicht, dass es keine Ungleichheiten mehr zwischen jungen Männern und Frauen  im Berufseinstieg gibt: Schauen wir uns die Gehälter an, dann sehen wir, dass der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen schon innerhalb der ersten drei Berufsjahre 20% beträgt. Selbst bei gleicher Ausbildung, gleichem Alter und gleichem Beruf verdienen junge Frauen 3 Jahre nach dem Berufseinstieg noch 12% weniger als ihre männlichen Kollegen. Ganz ehrlich? Es ist doch eine Schande, dass wir im Jahr 2016 immer noch gegen die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen protestieren müssen! Junge Frauen haben ein Recht auf "Mehr": Mehr Gerechtigkeit bei der Jobsuche, mehr Anerkennung für ihre Arbeit und mehr Vollzeitarbeit statt Teilzeitfalle!
 
Einen ganz wichtigen Beitrag zur Gleichstellung leistet seit knapp anderthalb Jahren der Mindestlohn. Die Löhne von Frauen ohne Berufsausbildung sind seit der Einführung um 4,5 Prozent angestiegen. 

Nach einem Jahr Mindestlohn ist die Bilanz positiv: In Niedersachsen gibt es weniger Erwerbslose und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte. Er sorgt für bessere Löhne, stärkt die Kaufkraft und kurbelt so das Wirtschaftswachstum in Niedersachsen an. Horrorszenarien von Arbeitgeberverbänden und interessensgeleiteten Wirtschaftsinstituten haben sich in Luft aufgelöst. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Niedersachsen ist im Vorjahresvergleich um 70.000 Personen angestiegen.
 
In vielen Branchen bringt der Mindestlohn den Beschäftigten in Niedersachsen deutlich mehr: Im Gastgewerbe beispielsweise stiegen die Löhne um knapp 5,0 Prozent.
 
Doch immer noch versuchen Arbeitgeber, den Mindestlohn zu umgehen: Mehrarbeit wird nicht bezahlt, Zuschläge und Trinkgeld werden angerechnet, Bereitschaftsdienste oder Wartezeiten bei Taxis, Ladezeiten von LKW-Fahrer_innen, Fahrtzeiten bei Behinderten- und Krankenfahrten nicht als Arbeitszeit gewertet. Hier muss sofort reagiert werden, liebe Freundinnen und Freunde! Wir brauchen effektive Kontrolle und wirksamen Schutz vor Abzocke! Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll muss um mehr als die für 2019 geplanten 1600 Stellen aufgestockt werden. Auch der Prüfdienst der Rentenversicherung braucht mehr Personal. 
 
Wir alle wissen: Der Mindestlohn ist ein wirkungsvoller Schutz gegen das schlimmste Lohndumping, wirklich gute Löhne und Arbeitsbedingungen sind aber nur mit Tarifverträgen zu erreichen. Die Arbeitgeber sind in der Pflicht, endlich die Tarifflucht zu stoppen und wieder für ordentliche Verhältnisse zu sorgen!
 
Und noch ein Punkt ist uns hier sehr wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die völlig irrationale Ausnahme Jugendlicher vom Mindestlohn muss beendet werden – sie ist diskriminierend und das vollkommen falsche Signal an die junge Generation! Die Begründungen für diese Ausnahmen sind zum Teil einfach abenteuerlich: Die Aussicht auf 8,50 Euro würde Jugendliche angeblich davon abhalten, eine Ausbildung zu machen. Das ist doch völliger Blödsinn – und das müssen wir alle gemeinsam immer und immer wieder laut sagen!

Liebe Freundinnen und Freunde, Solidarität ist heute unser Thema. Und damit meine ich auch die Solidarität mit allen heutigen und zukünftigen Seniorinnen und Senioren! Das ist mir insbesondere als Vertreter der DGB-Jugend ein großes Anliegen! 
 
Eigentlich sollte das ja eine Selbstverständlichkeit sein: Solidarität mit denen, die ein Leben lang für diese Gesellschaft da waren. Gute Renten und gute Pensionen für ein würdevolles Leben im Alter. 
 
All das ist aber keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Rente ist nicht mehr armutsfest. Was übrigens politisch gewollt war. 
- Ich verweise auf den Ausbau des Niedriglohnsektors und auf die Förderung nicht sozialversicherter Arbeit.
- Ich verweise auf diverse „Rentenreformen“, die meist nur eine Richtung kannten: nach unten.
- Ich verweise auf den Fetisch stabiler Beitragssätze. Jahrelang waren sie wichtiger als die Sicherung des Lebensstandards und der Schutz vor Armut.
 
Ergebnis dieser Politik ist, dass zukünftig viele von ihrer Rente nicht mehr leben können. Wer monatlich 2600 Euro brutto in der Tasche hat, muss heute mehr als 33 Jahre Vollzeit arbeiten. Sonst landet sie oder er später auf dem Sozialamt. Jede_r dritte sozialversicherte Beschäftigte hat aber weniger als 2500 Euro. Millionen Menschen droht Armut im Alter. 
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
- wollen wir, dass immer mehr alte Menschen bei den Tafeln aufschlagen?
- Wollen wir, dass alte Menschen nicht mehr aus dem Haus gehen, weil sie sich für ihre Armut schämen?
- Wollen wir, dass Betteln und Flaschensammeln zum Alltag von Rentnerinnen und Rentnern wird?
 
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschenwürde sieht anders aus!
 
Wir Gewerkschaften streiten für die Sicherung des Lebensstandards im Alter. Das Rentenniveau darf nicht unter 50 Prozent liegen. Zeiten der Arbeitslosigkeit, Kindererziehung und Pflege sowie gering entlohnte Erwerbsphasen müssen aufgewertet werden. Eine Mindestrente kann den Gang zum Sozialamt verhindern. Und wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, darf nicht noch mit hohen Abschlägen bestraft werden. 
 
Liebe Freundinnen, liebe Freunde, wir haben guten Grund, Solidarität hochzuhalten. Denn nicht alleine, sondern miteinander sind wir stark. Deshalb haben wir uns zu Gewerkschaften zusammengeschlossen. Und deshalb kämpfen wir gemeinsam um bessere Löhne – kollektiv und solidarisch.
 
Die Gewissheit, dass wir schon mit so vielen tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt und der Gesellschaft umgegangen sind, macht mich auch optimistisch in Bezug auf die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland.
 
Wir müssen uns eines vor Augen halten: Die Menschen, die zu uns kommen, flüchten, weil ihr Leben in ihrer Heimat vor Krieg, Terror und Gewalt bedroht ist. Sie nehmen aus purer Verzweiflung die überteuerte Hilfe von Schleppern in Anspruch, um sich auf einen lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer zu machen. Oder sie legen zu Fuß Abertausende von Kilometern zurück, um an den Grenzzäunen Europas zu stranden. Diejenigen, die es nach Deutschland schaffen, werden viel zu oft nicht immer mit offenen Armen empfangen. Rassist_innen und Neonazis gehen überall in Europa mit dumpfen Hassparolen gegen Menschen vor, die in größter Not ihr Land verlassen haben und in Deutschland Hilfe suchen. Die so genannte "Flüchtlingskrise" ist in Wahrheit eine Krise der Menschlichkeit! Dem setzen wir als Gewerkschaften etwas entgegen: Wir heißen Geflüchtete Willkommen!
 
Denn die Aufnahme und Integration von Geflüchteten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wie groß die Herausforderung für Länder und Kommunen, für Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft auch sein mag: Alle Akteure müssen es als ihre Aufgabe ansehen, eine menschenwürdige Unterbringung, Versorgung und Integration zu gewährleisten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, geflüchtete Menschen brauchen hier in Deutschland Schutz – nicht nur vor Rassist_innen und Neonazis, sondern auch vor Ausbeutung und prekärer Beschäftigung. 
 
Es darf nicht sein, dass Arbeitgeber die aktuelle Flüchtlingssituation missbrauchen, um Lohndumping zu betreiben. Besonders Forderungen nach der Aufhebung des Leiharbeitsverbots oder der Aussetzung des Mindestlohns für Flüchtlinge sind mit uns nicht zu machen und an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten!
 
Als vor einigen Monaten der Hotel- und Gaststättenverband meldete, dass er eine schnelle Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge begrüße, da wussten wir doch alle, was gemeint ist. Es ist doch zynisch, dass Arbeitgeber, deren Branchen für schlechte Arbeits- und Ausbildungsbedingungen bekannt sind, nun besonders laut nach der Arbeitskraft von Geflüchteten rufen! 
 
Wir müssen als Gewerkschaften genau hingucken, wenn es um die Schutzinteressen von arbeitenden Flüchtlingen geht: Wir fordern als DGB-Jugend, dass für Geflüchtete auch Ausbildungswechsel oder -abbrüche möglich sein müssen, ohne dass davon der Aufenthaltsstatus beeinträchtigt wird. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns allen ist doch klar, dass erst die gelingende Teilhabe von Geflüchteten an Bildung, Ausbildung und letztendlich guter, sicherer Beschäftigung wieder zu einem gesellschaftlichen Frieden beitragen wird. Soziale Gerechtigkeit hält die Gesellschaft zusammen. Soziale Spaltung hingegen schürt Vorurteile, Ängste, und fördert Ausgrenzung und Rassismus.
 
Und hier haben wir doch eine eindeutige Faktenlage: Unser Ausbildungsreport von 2015 belegt, dass überdurchschnittlich viele junge Kolleginnen und Kollegen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte in Berufen mit schlechter Ausbildungsqualität und niedriger Bezahlung landen. Sie befinden sich sozusagen am Ende der Fahnenstange in der Ausbildungslandschaft. Der Zugang zum Wunschberuf fällt ihnen schwerer, sie werden Opfer von Diskriminierung und sind insgesamt unzufriedener mit ihrer Ausbildung. Und das, obwohl die meisten, die wir für unseren Ausbildungsreport befragt haben, in Deutschland geboren sind und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
 
Diese Ergebnisse sind ein Warnsignal angesichts der Herausforderungen, wenn es in den kommenden Jahren um die Integration geflüchteter junger Menschen in Ausbildung und Arbeit geht.
 
Als Gewerkschaftsjugend erwarten wir eine Kultur der Offenheit und der Teilhabe in dieser Gesellschaft und tragen selbst auch dazu bei. Und wir erwarten auch, dass für alle, die zu uns kommen und die für uns jetzt schon ein Teil unserer Gesellschaft sind, gute Perspektiven geschaffen werden. Es ist Zeit für mehr Solidarität!
 
Wir brauchen einen leichteren Zugang zu Ausbildungsplätzen und mehr Investitionen bei der Unterstützung der jungen Menschen in der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung. Jene, die Geflüchtete in Ausbildung bringen wollen, müssen unterstützt werden. Ihnen dürfen keine Steine in den Weg gelegt werden. Gleichzeitig erwarten wir aber auch vernünftige Ausbildungsbedingungen. Geflüchtete dürfen nicht zu Auszubildenden und Beschäftigten zweiter Klasse werden.
 
Eine besondere Herausforderung für uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ist der Umgang mit den geistigen Brandstifter_innen der AfD, ob sie Höcke, Gauland, Petry, Storch oder sonst wie heißen. Und lasst uns hier sehr selbstkritisch anfangen: Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt hat diese Partei mit ihrer Hetze gegen Minderheiten und Schutzbedürftige bei unseren Kolleginnen und Kollegen leider auch gut abgeschnitten. Wir haben es hier also mit einem komplexen Problem zu tun und sind als DGB insgesamt gefordert. 
 
Eine Botschaft muss dabei aber immer und immer wieder im Mittelpunkt stehen: Die AfD ist eine zutiefst gewerkschaftsfeindliche Partei, die für engagierte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter schlicht und ergreifend unwählbar ist, liebe Kolleginnen und Kollegen!  

Wer einen Schießbefehl gegen Geflüchtete fordert ist unwählbar! Wer die Rhetorik von NPD und anderen neuen Nazis teilweise geistig noch unterbietet ist unwählbar! Wer das Frauen- und Familienbild des 19. Jahrhunderts propagiert und unser gewerkschaftliches Engagement für die Gleichstellung von Frauen torpediert ist unwählbar! Wer Sozialleistungen kürzen und sozial Benachteiligte gegeneinander ausspielen will ist und bleibt unwählbar! Und zwar nicht nur bei den Kommunalwahlen am 11. September, sondern bei allen Wahlen!
 
Soziale Gerechtigkeit und AfD sind ein absoluter Widerspruch. Die AfD ist eine Partei, die sich für niedrige Steuern für Reiche einsetzt, die für eine Abschaffung der Erbschaftssteuer ist, den Klimawandel leugnet, sich für Atomkraftwerke einsetzt, gegen beitragsfreie Kitas und gegen die Mietpreisbremse ist, die aber für die Beibehaltung von Hartz-IV-Sanktionen und für eine Privatisierung aller Krankenhäuser ist. Die Partei trauert Hitlers Mutterkreuz hinterher und fordert mindestens drei Kinder für deutsche Familien. 
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wird mir schlecht! Die AfD wollte erst den Mindestlohn abschaffen, jetzt will sie ihn behalten. Es muss klar sein, dass die Forderungen der AfD die Armen noch ärmer und die Reichen noch reicher machen. Diese Partei ist keine Alternative für Deutschland. Und sie ist erst recht keine Alternative für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter! Die AfD ist undemokratisch und asozial!
 
Rechte Bewegungen wie PEGIDA oder wie sie alle heißen sind ein Beleg dafür, dass wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter offen für unsere Überzeugungen und Ideale einstehen müssen. Rassismus, Ausgrenzung und Antisemitismus dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz finden! Wir sind hier gefordert – auf der Straße, im Betrieb und im privaten Umfeld. 
 
Eine traurige Tatsache ist, dass sich seit den PEGIDA-Demonstrationen die fremdenfeindlichen Übergriffe in Deutschland vervielfacht haben. Es ist doch offensichtlich: Einige Leute fühlen sich durch diese so genannten Proteste ermutigt, Flüchtlingsunterkünfte in Brand zu setzen oder Geflüchtete auf offener Straße zu attackieren.

Und zwar auch hier in Niedersachsen! Alle gesellschaftlichen Akteure sind aufgefordert, Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit konsequent zu bekämpfen. 
 
Aber auch die Landespolitik ist am Zug: Präventionsmaßnahmen wie verstärkte Jugend- und politische Bildungsarbeit sind dringend angesagt, liebe Freundinnen und Freunde. 
 
Hier schließt sich dann auch der Kreis, denn natürlich will auch die Jugend die Gesellschaft mitgestalten und ist aktiv, das lässt sich nicht nur durch vielfältige Aktionen gegen Rassismus und Faschismus oder gegen Atomenergie belegen. Aber es müssen Partizipationsmöglichkeiten für Jugendliche geschaffen werden, die über die Beteiligung an Wahlen hinausgehen. Alle gesellschaftlichen Kräfte müssen endlich begreifen, dass Jugendliche ernst genommen werden müssen! Es reicht nicht aus, junge Menschen nur anzusprechen und mitzudenken, es müssen sich endlich die Strukturen jugendgerecht verändern, liebe Kolleginnen und Kollegen!
 
Ein Beispiel für den Gestaltungswillen der Jugend ist der bunte und kreative Protest gegen TTIP, CETA und Co.!

Gerade letzte Woche in Hannover haben wir erlebt, wie sich zehntausende für einen gerechten Welthandel engagiert haben. Ich war im Jugendblock auf der Demo dabei und habe wieder einmal gesehen, wie wenig die plakativen Vorurteile gegen die ach so politikverdrossene Jugend mit der Realität zu tun haben!
 
Ich komme zum Schluss. Und da fällt mir noch ein aktuelles Phänomen auf: Es wird im Augenblick wieder inflationär über "Alternativen" gesprochen.
 
Das Einzige, was alternativlos ist, wenn man soziale Ungerechtigkeit bekämpfen will, ist die Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kämpfen gegen Sozialabbau, gegen prekäre Beschäftigung, gegen Leiharbeit und Werkverträge, für sichere Arbeitsplätze, für unbefristete Übernahme nach der Ausbildung, für mehr Ausbildungsplätze und eine menschenwürdige Alterssicherung.
 
Und wir zeigen Herz statt Hetze, wenn es um die Teilhabe von Geflüchteten in Deutschland geht.
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Zeit für mehr Solidarität! 
 
Ich wünsche Euch und uns einen solidarischen und kämpferischen Tag der Arbeit!
 
Vielen Dank.

Ruben Eick |DGB-Jugend Niedersachsen
[Es gilt das gesprochene Wort]

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