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Bei Frischmilch tappen Verbraucher weiter im Dunkeln
18|07|2009



Während die Milchpreise verfallen treibt die Industrie mit der Milch Stilblüten.

Marktcheck der Verbraucherzentralen: nur ein Drittel korrekt bezeichnet – Verunsicherungen gehen weiter

Die freiwillige Selbstverpflichtung zur Milchkennzeichnung von herkömmlicher Frischmilch und länger haltbarer ESL-Milch ist gescheitert. Nur ein Drittel der Milch ist entsprechend der Selbstverpflichtung gekennzeichnet. Zu diesem Ergebnis kommt eine bundesweite Überprüfung der Verbraucherzentralen von über 650 Milchpackungen in 80 Lebensmittelgeschäften. Eine weitere Erkenntnis: Traditionelle Frischmilch wird in vielen Geschäften überhaupt nicht mehr angeboten.

„Die Milchwirtschaft hat ihr Versprechen nicht gehalten und führt die Verbraucher weiter an der Nase herum“, so Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes [vzbv] bei der Vorstellung des Marktchecks in Berlin. Die Verbraucher hätten ein Anrecht darauf zu erfahren, welche Art von Milch sie kaufen.

Billen: „Wenn die Selbstverpflichtung nicht zeitnah umgesetzt wird, muss Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner die Milchindustrie mit einer klaren gesetzlichen Vorgabe zwingen, Frischmilch und ESL-Mich auf einen Blick unterscheidbar zu machen.“ Die Selbstverpflichtung wurde Anfang Februar vom Bundesverbraucherministerium, Milchindustrie-Verband e.V. [MIV] und Hauptverband des Deutschen Einzelhandels [HDE] ausgehandelt.

Traditionelle Frischmilch kaum mehr zu finden

Die im Zeitraum 13.06. bis 25.06.2009 durchgeführte Stichprobe der Verbraucherzentralen umfasste 660 Milchpackungen bzw. -flaschen. Sie ergab, dass von den 660 Proben nur rund 240 richtig gekennzeichnet waren, 202 mit dem Zusatz „länger haltbar“ und 40 mit „traditionell hergestellt“.

Oft sind die Produkte stattdessen irreführend mit "extra lange frisch", "länger frisch" oder "maxi frisch" bezeichnet und suggerieren eine besondere Frische. Immer noch findet sich – auch bei Marken- und Bioprodukten – ESL-Milch ohne irgendeinen Hinweis auf die längere Haltbarkeit. In gut einem Drittel der Geschäfte [29 von 80] war überhaupt keine herkömmliche Frischmilch mehr erhältlich.

Clara Meynen, Referentin für Ernährungsverhalten und Prävention im vzbv: „Der Verbraucher hat Anspruch auf Wahlfreiheit. Echte Frischmilch muss flächendeckend im Handel erhältlich und als solche gekennzeichnet sein.“

Milch, Käse, Schinken: Schleichende Veränderungen

Die mangelhafte Umsetzung der Milchkennzeichnung trägt zur Verunsicherung der Verbraucher bei und ist ein Beispiel zunehmend schleichender Veränderungen in der Produktion und Verarbeitung von Lebensmitteln. In den zurückliegenden Wochen hatten Schinken- und Käseimitate erneut für öffentliches Aufsehen gesorgt. Die Verbraucherzentrale Hamburg veröffentlichte vergangenes Wochenende eine Liste mit Lebensmitteln, bei denen Anschein und Sein auseinander klaffen. „Mag bei verpackter Ware der Blick auf die Zutatenliste noch vor einem Fehlgriff schützen, kann ein Restaurantbesucher nur hoffen, dass ihm auch tatsächlich aufgetischt wird, was ausgelobt wurde“, sagt Billen.

Effektivere Kontrollen, Kennzeichnungen und Auskunftspflichten

Um dies sicherzustellen fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband von Bund und Ländern eine effektive Lebensmittelkontrolle und mehr Informationspflichten der Behörden. Gerd Billen: „Die Zahl der Kontrollen muss aufgestockt und die Ergebnisse der Kontrollen mit Ross und Reiter an die Öffentlichkeit.“

- Im Rahmen der anstehenden Überarbeitung des Verbraucherinformationsgesetzes müssen Behörden bei wiederholten Verstößen die Kontrollergebnisse unter Nennung von Ross und Reiter öffentlich machen.

- Darüber hinaus müssen Gastronomie und Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung durch Standards und Qualitätssicherung gewährleisten, dass Verbraucher solche Lebensmittel erhalten, die sie erwarten.

- Lebensmittelindustrie und Handel müssen den Kunden durch unmissverständliche Aufmachungen und klare Kennzeichnungen die Wahlfreiheit ermöglichen.

- Zudem müssen Anbieter, die mit besonderen Qualitäten werben [„tiergerechte Produktion“, „regionale Herstellung“, nachhaltige Erzeugung“], gesetzlich dazu verpflichtet werden, die zur Überprüfung ihrer Werbeaussagen notwendigen Informationen zur Verfügung stellen.


Quelle: Verbraucherzentrale

Links:
Ergebnisse des Marktchecks
Hintergrundpapier


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