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Rede zur Gedenkfeier zum 1. September – Antikriegstag 2014
02|09|2014



Danny Schnur [DGB Sekretär Wilhelmshaven] hielt am 1. September 2014 die Rede für den Wilhelmshavener DGB an der Gedenkstätte auf dem Wilhelm Krökel Platz.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
Sehr verehrte Anwesende. 

2014 ist ein Jahr in dem sich bedeutende „Wendepunkte“ deutscher Geschichte jähren, so dass dieser Antikriegstag einmal mehr im Zeichen des Erinnerns und des Mahnens steht. Im Juli 1914, also vor genau 100 Jahren, begann ein Krieg, der zunächst als Lokalkrieg anfing und sich schnell in dessen Verlauf zu einem Kontinentalkrieg ausweitete. In die Geschichte ist dieser Krieg als Erster Weltkrieg eingegangen; an dessen Ende rund 17 Millionen Menschen ihr Leben verloren.

Der Historiker Paul Kennedy sagte:
(Zitat) „Wenn es als Hinterlassenschaft für die Nachwelt ein Sinnbild des  Ersten Weltkrieges gibt, dann ist es der Grabenkrieg – sind es  Millionen von Soldaten, jahrelang im Schlamm in einen sinnlosen  Kampf verstrickt, nur um unter ungeheuerlichen Verlusten winzige Geländegewinne zu erzielen, ein jahrelanger Aderlass für die  Bevölkerung und die Ressourcen der kriegsführenden Nationen“. (Zitat Ende)

Heute, am 1. September 2014, jährt sich zum 75. Mal der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen. Dieser Überfall war der Beginn des 2. Weltkriegs, in dessen Verlauf 60 bis 70 Millionen Menschen ihr Leben ließen. 

Kaum ein Krieg war wie dieser. - Kaum einer hat so viel Blut gekostet, - hatte solche Auswirkungen, - hat so tiefe Spuren in der Erinnerung der ZeitgenossInnen hinterlassen - wie jener, der während der Zeit von 1939-1945 in Europa und der Welt tobte. 

Man kann nicht oft genug daran erinnern – an all das Leid, das diese Kriege, die von deutschem Boden ausgingen, verursacht haben. 

Allein schon, dass die Familien um ihre gefallenen Söhne – Männer – Väter getrauert haben. Nein – auch die Bevölkerungen haben millionenfaches Leid durch Bomben und Granaten – durch Hunger, Angst und Terror ertragen müssen. 

Dwight D. Eisenhower hat einmal gesagt: 
(Zitat) „Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich ein Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen; an denen, die frieren und keine Kleidung haben. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld alleine. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.“ (Zitat Ende)

Erinnert werden soll heute, am Antikriegstag 2014, vor allem an jene, die vom Nazi-Regime in Konzentrationslager eingesperrt wurden, weil sie anders waren. Weil sie eine andere Religion – eine andere Weltanschauung – eine andere politische Überzeugung hatten. Juden – Sinti und Roma – Kommunisten – Sozialdemokraten und auch Gewerkschafter wurden in KZ’s zusammengepfercht, ihrer Menschlichkeit beraubt, gequält und ermordet. 

Anders als der Erste Weltkrieg, in dem es hauptsächlich um territoriale Ausdehnung und machtpolitische Zugewinne ging, wurde dieser von vornherein als rassenideologischer Vernichtungskrieg gegen bestimmte Volksgruppen konzipiert und durchgeführt.

Besonders die jüdischen MitbürgerInnen in Deutschland und Europa bekamen diesen ideologisch geführten Vernichtungskrieg am konsequentesten zu spüren. Sie standen am untersten Ende der rassistischen Stufenleiter der Nazis. Sie wurden massenhaft in Ghettos wie in Warschau oder Minsk zusammengetrieben, interniert und teilweise sich selbst überlassen. Spätestens ab 1940/41 wurden die europäischen Juden systematisch und industriell in den Konzentrations- und Vernichtungslagern millionenfach ermordet. Die Wissenschaft geht heute von rund 6 Millionen Juden aus, die so diesem rassistischen Wahnsinn zum Opfer gefallen sind.

Ebenfalls am Ende der rassistischen Stufenleiter der Nationalsozialisten standen die russischen Kriegsgefangenen. Etwa 3,34 Millionen gefangen genommene Soldaten der Roten Armee hatte Nazi-Deutschland allein aus weltanschaulichen Gründen einfach in den Kriegsgefangenenlagern verhungern lassen.

Angesichts des Arbeitskräftemangels, der im Laufe des Krieges immer eklatanter wurde, wurden mehr und mehr Zwangsarbeiter_Innen und Kriegsgefangene sowohl in den besetzten Gebieten, aber auch in Deutschland unter zumeist unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit eingesetzt. 

Wer jedoch nicht stark genug zur Arbeit war, wurde sofort ermordet oder verhungerte elendig in den Internierungslagern. Die, die noch als arbeitsfähig galten, mussten körperlich schwere Tätigkeiten unter zumeist menschenverachtenden Bedingungen verrichten. Gleichzeitig jedoch wurden ihre Lebensmittelrationen so stark sanktioniert, dass sie bereits nach wenigen Wochen entkräfteten und krank und somit ausgemustert wurden, was in der nationalsozialistischen Verwertungslogik einem Todesurteil gleich kam.

Auch in Wilhelmshaven gab es Konzentrations- und Arbeitslager. Die Stadt an der Jade hatte eine hohe Priorität durch die Marinewerft, den Kriegsmarinestützpunkt mit ihrer U-Boot-Waffen-Fertigung und den Testanlagen. Riesige Bauvorhaben im Hafenbereich und im Siedlungsbau machten es auch hier notwendig, tausende zusätzliche Arbeitskräfte in die Stadt zu rekrutieren. Insbesondere eine hohe Anzahl an Zwangsarbeiter_Innen aus dem Ausland. Über die Kriegszeit hinweg hatte Wilhelmshaven etwa 40 Lager, die wie ein engmaschiges Netz im ganzen Stadtgebiet verteilt waren. Etwa 30.000 Menschen wurden hier in den Kriegsjahren unter psychischer und physischer Gewaltanwendung zur Arbeit gezwungen. Man kann also nicht genug an das Leid der Menschen erinnern, die entrechtet, misshandelt, gefoltert, eingesperrt und ermordet wurden.
 
Dieser Tag, der 01.09., - soll allen Menschen, die in Wilhelmshaven aber auch die Millionen Geschundener und Ermordeter in den anderen Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslagern gewidmet sein, um ihrer zu gedenken und ihnen ein Stück ihrer Würde zurück zu geben, derer sie von Nazi-Deutschland und seinen Schergen beraubt wurden.

Seit 1957 nutzt der Deutsche Gewerkschaftsbund den Antikriegstag, zum Mahnen und Erinnern, aber auch, um aktuelle Konflikte, Krisen oder Kriege zu thematisieren. 

Im diesjährigen DGB-Aufruf heißt es u.a.:
(Zitat) „eine erfolgreiche Friedenspolitik beginnt mit der Erkenntnis, dass Frieden ohne soziale Gerechtigkeit nicht zu haben ist. Demokratische Teilhabe, gute Arbeit und soziale Sicherheit haben großen Einfluss darauf, politische und gesellschaftliche Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen“. (Zitat Ende) 

Dass wir jedoch von einem stabilen Frieden auf der Welt noch IMMER weit entfernt sind, erleben wir leider täglich in den Medien live mit. Im Nordirak metzeln die Gotteskrieger des Islamischen Staates Zivilisten nieder, die wiederum nach Hilfe und Waffen rufen. Im Osten der Ukraine eskaliert der Bürgerkrieg und mit jedem Tag wächst die Furcht vor einem militärischen Eingreifen Russlands und in Israel herrscht abermals ein unerbittlicher Krieg.

Wir sehen täglich in den Nachrichten die Bilder aus den Flüchtlingslagern in Jordanien, dem Irak, Israel oder aber auch die von Europa wie Malta und Lampedusa. Allen ist gleich, dass die Menschen, die diese Lager aufsuchen müssen, meistens mit weniger als dem zum Leben Notwenigen dort ankommen, für eine unbestimmte Zeit dort vegetieren müssen und in den allermeisten Fällen eine friedliche und gerechte Zukunft nicht in Sicht ist. 

Die Staaten, die diese Flüchtlinge aufgenommen haben, sind meist überhaupt nicht in der Lage, diese Probleme allein zu bewältigen. Die Länder der Europäischen Union müssen hier mehr Verantwortung übernehmen.
 
Einerseits so sage ich, muss den Ländern finanziell und materiell mehr geholfen werden und andererseits und das möchte ich noch deutlicher betonen, muss die EU aber auch mehr Verantwortung beim Schutz von Flüchtlingen übernehmen. Wir alle – die Staaten der EU und die anderen wohlhabenden Staaten der Welt sind hier gefordert, schnelle und humanitäre Hilfe zu leisten. Wir hier in Deutschland müssen uns fragen: Können wir in der Aufnahme von Flüchtlingen nicht noch mehr tun? 

Es kann doch nicht wahr sein, dass Lampedusa-Flüchtlinge, die unter anderem aus dem Bürgerkriegsland Libyen stammen und derzeit in Hamburg und Berlin leben, jederzeit mit einer Abschiebung rechnen müssen, sie keinen sicheren Aufenthaltsstatus und keine Arbeitserlaubnis bekommen, sich also hier kein Leben ohne Angst und Unsicherheit aufbauen sowie selbstbestimmt und frei leben können.
 
Das ist doch grotesk! in einem Land wie Deutschland!!     

Ich meine, wir brauchen eine echte Willkommenskultur in Deutschland, denn: Wir vom DGB sagen: 
Humanitäre Flüchtlingspolitik ist Friedenspolitik!! 

Und ich muss unserem Bundespräsidenten Joachim Gauck entschieden widersprechen, wenn er (Zitat) „den Krieg als letztes legitimes Mittel“ (Zitat Ende) bezeichnet. 

Ich sage: Krieg kann und darf kein Mittel sein, um Entscheidungen herbeizuführen! Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt einen Krieg – denn es gibt dabei nur Verlierer.

Wie hat John F. Kennedy gesagt:
(Zitat) „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende“ (Zitat Ende). 

Der DGB und seine Mitglieder stehen auf keiner Seite einer kriegsführenden Partei nirgendwo auf dieser Welt.

„Krieg ist und bleibt eben Terror – die Menschen zählen dabei nicht! 

Wir stehen auf der Seite des Friedens und erklären uns solidarisch mit allen, die sich für Frieden, Freiheit und Sicherheit für alle Menschen engagieren.
 
Schließen möchte ich mit einem letzten Zitat von Francis Picabia: 
(Zitat) „Unser Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können“ (Zitat Ende).

Nie wieder Krieg!
 
Nie wieder Faschismus!

Danny Schnur | Deutscher Gewerkschaftsbund: Region Oldenburg-Ostfriesland
[Es gilt das gesprochene Wort]



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