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Viereinhalb Jahre...


...IM RAT DER STADT WILHELMSHAVEN
oder „Es gibt sie doch noch!“


55 Monate haben wir nicht viel gehört von
unseren gewählten politischen Vertretern.
Doch es gibt sie noch, die 45 Ratsvertreter
der Stadt Wilhelmshaven.


Allerorts beschwören sie Bürgernähe. SPD- und CDU-
Vertreter geben sich in den Clubräumen der Gaststätten
praktisch die Klinke in die Hand.
Ja, so sollte Politik vor Ort tatsächlich gemacht werden -
mit den Bürgern, für die Bürger.
Das Themenspektrum lässt kaum noch Wünsche offen.
Vogelgrippe, Jugendarbeit, Schulen, Lärmschutz, Freizeit-
gebiete, Industrieansiedlung, Nahversorgung, Radwege
und vieles mehr.



Vollmundig preisen sie ihre glorreichen Taten der
letzten Jahre und versuchen den Bürgern doch tat-
sächlich glauben zu machen, dass sie all diese
Themen zum Wohle der Bürger bearbeitet
haben.


Der interessierte Bürger wird aber das Gefühl nicht los,
als hätte er das alles schon einmal gehört. „Es geht steil
aufwärts in Wilhelmshaven“, hallt es durch die Mikrofone.
„Tausende Arbeitsplätze entstehen“. „Wir werden viele
junge Familien nach Wilhelmshaven holen“.
„Schulen werden saniert, Radwege gebaut, Freizeitanlagen,
Spielplätze, Frei- und Hallenbäder aufgewertet“.
Egal, welche Wünsche die Bürger auch äußern, sie werden
erfüllt!

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
Vor fünf Jahren saßen sie auch vor den Bürgern, die Damen
und Herren der Politik, und versprachen das Blaue vom
Himmel. Sprachen von Bürgernähe, Transparenz, und
Aufschwung, wenn nur das Kreuz an der richtigen Stelle
gemacht wird.

Und die Bürger haben 2001, wie schon so viele Jahre zuvor,
ihr Kreuz gemacht. Im Glauben an die Versprechungen
ihrer zukünftigen Vertreter.
Nun soll der Glaube ja Berge versetzen. Was der Glaube
jedoch nicht macht, er bringt Politiker nicht dazu, Ver-
sprechen tatsächlich zu halten.

Nun werden viele Bürger sagen, wir haben diese Ratsver-
treter gar nicht gewählt. Bei knapp 50% der Wilhelms-
havener Wahlberechtigten stimmt das auch.
Sie gingen nicht zur Wahl und wählten damit aber doch.

Sie wählten den Weg, andere entscheiden zu lassen,
wer die Geschicke der Stadt lenken und leiten soll.
Sie, die Nichtwähler, haben schlussendlich ebensoviel zur
Zusammensetzung des Wilhelmshavener Stadtrates bei-
getragen wie diejenigen Bürger, die tatsächlich zur
Kommunalwahl 2001 gingen.

55 Monate sind seit dieser Wahl vergangen.
55 Monate ohne Aufschwung, ohne tatsächlich
erfolgte positive Veränderungen.
Noch mehr Schulden, noch mehr Insolvenzen,
noch mehr leerstehende Wohnungen und
Geschäfte.


Fragt man seine Ratsvertreter einmal persönlich, warum
bestimmte Entscheidungen so und nicht anders getroffen
wurden, verstecken sie sich hinter Fraktionszwängen, den
erdrückenden städtischen Schulden oder aber hinter über-
geordneten Entscheidungen in Land und Bund.

Natürlich befindet sich Wilhelmshaven in einer Zwickmühle
aus Einwohnerrückgang, geringeren Einnahmen und er-
drückenden Schulden. Natürlich muss auch in Wilhelmshaven
gespart werden. Natürlich kann der Rat der Stadt nicht alle
Wünsche der Bürger erfüllen.
Aber die sicherlich erforderlichen Sparprogramme
müssen ausgewogen und nachvollziehbar sein.

Wir leisten uns 45 Ratsvertreter, 2 Bürger-
meisterinnen, Ausschüsse ohne Aufgaben, externe
Berater und unzählige Aufsichträte.
Über 40 Gesellschaften arbeiten mit den Steuer-
geldern der Bürger, ohne dass hier eine ausreichende
Kontrolle durch die politischen Vertreter stattfindet,
stattfinden kann.




Aus den großen Fraktionen von SPD und CDU sind auch
in Zukunft keine Entscheidungen über Verkleinerung
des Rates, Zusammenlegung von Ausschüssen oder
gar die Prüfung der Gesellschaften zu erwarten.
Würde dies doch immer mit dem Verlust von Posten
einhergehen - Posten, für die Gelder kassiert werden,
Posten [z.B. 2. Bürgermeisterin], die als Verhandlungs-
masse für Mehrheitsbildungen [SPD/Grüne] benötigt
werden.

Da spart man – SPD/Grüne/CDU - lieber bei
Stadttheater, Kunsthalle, Volkhochschule,
botanischem Garten, Bücherbus oder Mütter-
zentrum, um nur einige zu nennen.

Da steckt man lieber erhebliche Gelder in
Hafentorbrücke, Nordgleis oder die Öffnung
der 1. Einfahrt. Man plant die Bebauung
der Schleuseninsel, schließt ersatzlos Cam-
pingplatz und Geniusstrand.


Viele dieser Fehlentscheidungen der letzten Jahre sind
in Unkenntnis der Tatsachen erfolgt. Es gibt nicht so
viele Ratsvertreter, die vor der Abstimmung tatsächlich
die Unterlagen gelesen haben oder sich gar bei Fachleuten
schlau gemacht haben.
Gute Beispiele aus den letzten Wochen sind dabei die
Ansiedlungsplanungen eines Kraftwerkes, eines Massen-
schüttgutlagers oder eines Elektrogeräteentsorgers.

Zu all diesen Themen gab es Informationsgespräche
mit den zuständigen Firmen. Nur Ratsvertreter habe ich,
und ich war vor Ort, nicht gesehen. Warum sollten sie
sich auch die Zeit für solche Informationsveranstaltungen
nehmen? Dafür werden schließlich auch keine Sitzungs-
gelder bezahlt, und nur, was auch bezahlt wird, ist für
den ehrenamtlichen Ratsvertreter interessant?!

Sicher, es gibt/gäbe Ausnahmen! Leider äußern diese ihre
Meinung nur hinter verschlossenen Türen.

Viele werden mir jetzt vorwerfen, ich würde alles nur
schlecht machen, immer nur dagegen sein. Wer das
unbedingt so sehen will…

Ich habe eine klare, eindeutige Meinung, wie
Ratsarbeit aussehen sollte. Ganz sicher ist
Ratsarbeit nicht:

>nur fürs Protokoll zu reden
>gegen seine Überzeugung abzustimmen
>die Fahne immer in den Wind zu drehen



Joachim Tjaden
Ratsherr BASU-Wilhelmshaven
Mai 2006
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Artikel mit freundlicher Genehmigung des Gegenwind Wilhelmshaven
[Ausgabe: 217]

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