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Robert Enke – das verborgene Leid
eines deutschen Leistungsträgers
16|11|2009



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Vor dem Stadion ein Meer von Kerzen und Beileidsbekundungen.

Sonntag fand eine Trauerfeier im Fußballstadion von Hannover statt, unter Beteiligung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und unzähligen Fans. Bereits am Mittwoch abend brachte die ARD eine 35-minütige Sondersendung zum Freitod des Fußballspielers. Ein Trauermarsch mit 35.000 Menschen zog durch Hannover.

Die öffentliche Resonanz auf die Tat ist gewaltig. Seit der Beerdigung von Konrad Adenauer habe es nicht mehr eine zahlenmäßig so große Anteilnahme in der Öffentlichkeit gegeben [stern.de].

Hier geht es also offenbar nicht nur um den plötzlichen Tod eines Fußballstars, sondern um mehr. Sein Schicksal berührt etwas in der deutschen Volksseele, was bisher im Hintergrund war und jetzt mit aller Macht an die Oberfläche drängt. 

Ralf Klassen von stern.de schreibt:

„Denn Robert Enkes Tod wird nicht nur deshalb so betrauert, weil es einen populären sympathischen Sportler getroffen hat – sondern wohl auch vor allem, weil die Leidensgeschichte, die ihn in den Tod getrieben hat, jahrelang so perfekt verborgen unter seiner Oberfläche lag. Weil er glaubte, seine Ängste vor der Öffentlichkeit verstecken zu müssen, um als Mensch akzeptiert zu werden. Es scheint, als wollten die Menschen mit ihrer beinahe überbordenden Anteilnahme nun auch beweisen, dass es eine Gesellschaft geben muss, die eben diese Ängste, Schwächen und Fehler verstehen und verzeihen kann.“
[stern.de]


Hierher gehört auch die zweite „Sensation“ verbunden mit diesem Ereignis: die Offenheit, mit der die Ehefrau Teresa Enke bereits Stunden nach dem Tod ihres Mannes an die Öffentlichkeit trat. Oder in den Worten Theo Zwanzigers: „Sie, Frau Enke, haben durch Ihren mutigen Schritt die Tore aufgestoßen, die uns die Möglichkeit geben, das Unfaßbare zu begreifen ...“.

Was hat Robert Enke geplagt?

Robert Enke war "Jungfrau" [24.9.1977, geb. in Jena]. Jungfrauen gelten als sensibel und „vernünftig“, allein in diesen beiden Begriffen ist bereits das halbe Drama angelegt: Die Sensibilität führt dazu, daß man Äußerungen der Umwelt schnell auf die Goldwaage legt, für sich persönlich, sich schnell den Schuh anzieht, den man da präsentiert bekommt von irgendjemandem, der vielleicht nur etwas Unbedachtes äußern wollte.

Gleichzeitig plagt die Jungfrau die „Vernunft“:
Die Jungfrau möchte in der Umwelt nicht „anecken“, sondern stattdessen sich am besten konturenlos einpassen, so daß sie gar nicht auffällt. So wie ein Reh im Wald. Beim Menschen führt dies u.a. dazu, daß derjenige neigt, Erwartungen seiner Umwelt, wie Umgangsnormen, Regeln etc. überzuerfüllen, d.h. auch dann, wenn es im Bezug auf die Situation gar nicht erforderlich ist und auch zum eigenen Nachteil, indem er seine eigenen Interessen, Wünsche zunächst zurückstellt [um nicht anzuecken, s.o.].

Dies führt allerdings im Laufe der Zeit zu einem ansteigenden Druck innerhalb der Seele, die auch ihre Persönlichkeit in der Welt leben will, auch wenn sie anders ist als der Durchschnitt. In einer Gesellschaft, die das Mittelmaß zum Maß aller Dinge erhebt, haben es diese sensiblen Wesen nicht so leicht [sie gehen leicht unter].


Die Jungfrauen wurden aber von unserem Schöpfer mit ihrer Sensibilität nicht deshalb ausgestattet, um damit unterzugehen. Nein, sie sind, wie die Mimose in der Pflanzenwelt, ein empfindlicher Fühler für die Dinge, die aus dem Ruder laufen im Gesamtorganismus. Sie sind der Arzt und Heiler unter den Menschen. Oder die „kritischen Kritiker“. Sie sollen ihren Finger auf die Wunden legen, die Kennzeichen einer größeren Erkrankung sind. So gedacht zumindest.

Aufgrund ihres zusätzlich gut ausgebildeten und exakt arbeitenden Verstandes werden sie aber auch gerne „benutzt“ für subalterne Aufgaben, wo man einen klaren Verstand gebrauchen kann. Z.B. in der Buchhaltung eines Unternehmens, oder im Archiv einer Bibliothek. Dort können sie dann leicht verkümmern. 

Worauf ich hinweisen will, ist, daß die Begabung der Kritikfähigkeit und Analyse nicht immer gern gesehen wird, von Menschen oder Funktionären, die Ziele verfolgen, die gerade nicht von anderen entdeckt werden sollen. Oder von einer Gesellschaft, die fehlerhafte Entwicklungen lieber verdrängt, als offensiv anzugehen.

Manchmal wird eine Jungfrau aber auch sich selbst zum Feind. Unter dem Anpassungsdruck seiner Umwelt. Wahrnehmung und Verstand – wie geht das zusammen? Eine Jungfrau ist damit lebenslang beschäftigt. 

− Ich höre gerade nebenbei die Worte Theo Zwanzigers, des DFB-Präsidenten, während der Trauerfeier im Hannover Stadion: Ich bin tief gerührt. „...Ein Stück mehr Menschlichkeit... ein Stück weniger Ehrgeiz … ein Stück weniger Leistungsstreben...das ist es, was uns Robert Enkes sinnlose Tat an wenigstens ein bißchen Sinn vermitteln kann ...“ So in etwa. -

Robert Enke war zerrissen zwischen dieser Sensibilität, die sich z.B.in seiner Zuwendung gegenüber seinen beiden Töchtern und einer ganzen Mannschaft von Haustieren, die er auf Auslandsaufenthalten eingesammelt hatte, ausdrückte, und einer stark gelebten Selbstkontrolle.

Von diesem Kampf zwischen zwei Polen bekam seine Umwelt wenig mit. Sie nahm vor allem dessen äußere Komponente, die Selbstkontrolle, wahr und deutete diese [tragischerweise] als Ruhe und Gelassenheit.
  
Robert Enke plagte eine Angst, die Umwelt würde seine Gedanken und Gefühle nicht verstehen, wenn er sie ungefiltert und unkontrolliert äußern würde. Er zog einzelne, wenige Berater ins Vertrauen, so Christoph Daum bei einem Aufenthalt in der Türkei, und 2003 den Psychotherapeuten Marksen, der am Mittwoch ebenfalls mit Frau Enke an die Presse getreten ist, die jedoch nach eigenem Bekunden die Dramatik seiner inneren Situation nicht erfaßten. Auch langjährige Spielerkameraden tappten im Dunkeln, bzw. realisierten gar nicht die Gefahr, in der ihr Mannschaftskapitän selber stand. Für andere hatte er ein Ohr, aber seine eigene Seele litt ungehört.  

Seine Kontrolle behielt in der Öffentlichkeit weitgehend die Oberhand. Dafür hat er einen hohen Preis bezahlt. Bereits während seines Lebens. Und jetzt den höchsten Preis, den ein Mensch überhaupt zahlen kann. 

− Ich lausche weiterhin den Trauerreden, jetzt von Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil, ich bekomme das Gefühl, ich brauche jetzt gar nicht weiter viel schreiben. Eine große Menge Menschen zeigen sich tief bewegt und trauern um einen geschätzten, aber lange unverstandenen Mitbürger.  Nicht der Sportler steht mehr hier im Vordergrund. Robert Enke als Mensch. Mit Gefühlen, wie viele andere Menschen sie auch haben und sich nicht trauen, diese zu offenbaren. -

Aber jetzt hat sich etwas verändert im öffentlichen Bewußtsein. Durch den offenen Schritt von Teresa Enke gibt es ein neues Vorbild für Umgang mit psychischen Problemen.

Lange Zeit war es in unserer Gesellschaft eher verpönt, darüber zu sprechen, daß man auf diesem Gebiet professionelle Hilfe in Anspruch nimmt. Im dritten Reich fielen Depressive unter die Euthanasie, deren Folgen und Taten zum Teil noch heute in den betreffenden Familien verschwiegen werden.

Vor 70 Jahren hatte man also einen echten Grund, eine solche Erkrankung zu veschweigen. Da war Schweigen unter Umständen lebensrettend bzw. lebensbewahrend für das leidende Familienmitglied. Bei Robert Enke hat es aber genau den gegenteiligen Effekt gehabt. Er ist unter dem inneren Druck zusammengebrochen. Und hinterläßt damit tiefes Leid bei seinen Angehörigen, die nun nichts mehr ausrichten können, ihm zu helfen.

Theo Zwanziger wies in seiner Rede darauf hin, daß die Vielfalt unter den Menschen das wesentliche sei.

In meinen eigenen Worten:
Nicht nur die gerade zufällig Leistungsstarken sind die einzigen, denen die gesamtstaatliche und mediale Aufmerksamkeit gilt. Es gibt auch noch Menschen jenseits des Rampenlichts und materiellen Reichtums. Robert Enke ist – unbeabsichtigt – durch seine Verzweiflungstat zu deren Paten geworden, indem er – durch seine Tat – deutlich gemacht hat, wie verzweifelt man sein kann und wie stark der innere Leidensdruck zumindest in der eigenen Person subjektiv empfunden wird. Und wie wenig da flotte Aufmunterungssprüche von Nichtleidenden da weiterhelfen.

Man fühlt sich dann nur noch unverstandener und allein.

Die Einsamkeit, in der man – trotz vorhandener sozialer oder sogar partnerschaftlicher Beziehungen – plötzlich oder allmählich landen kann, ist bisher ein Tabu gewesen in unserer Gesellschaft.

Auch Hannelore Kohl hat sich in diese Verschwiegenheit hinter verschlossenen Türen begeben und sah keinen anderen Ausweg mehr daraus irgendwann als dem ganzen Leiden durch Gewalt gegen sich selbst ein Ende zu bereiten. Und viele, viele Menschen mehr... Schicksale wie die von Frau Kohl wurden aber ein bißchen unter den gesamtgesellschaftlichen Teppich gekehrt. Was nicht sein darf, darf nicht sein.


Wenn Verliebte eine solche Tat begehen, oder Bankrotteure, meinetwegen, aber nur einfach aufgrund einer Gefühlsunausgeglichenheit? Gefühle darf man nur im privaten haben und dort pflegen. Und wenn sie nicht funktionieren, geht man heimlich zum Seelendoktor, oder, heute immer häufiger, auch bei Schulkindern unter Leistungsdruck, wirft man eine Pille ein. Die wird’s dann schon wieder richten, damit man wieder richtig funktionieren kann.

Eine Verzweiflungstat, begangen von einem Leistungs- und noch zudem Sympathieträger, - das ist ein Novum. 

Unter den Leistungsstarken gibt es also auch solche, die Gefühle haben. Das muß unsere Leistungsgesellschaft erst einmal verkraften. Reicht es etwa doch nicht mehr aus, „Eigenverantwortung zu übernehmen“ [=an sich selbst zuerst zu denken] und stets und immer sich selbst „am Schopfe aus dem Dreck ziehen“, in den man angeblich selbst[verschuldet] hineingesprungen ist? Solche und ähnliche Sätze bekommen Gestrauchelte und Geschwächte in unserer Gesellschaft oft zu hören, von denen, denen es bisher in ihrem Leben immer gut ging.

Und die dieses ihrem eigenen „Leistungskonto“ zuschreiben, und nicht etwa glücklichen Umständen oder einem gesunden Elternhaus. Und die neue Bundesregierung hat gerade ein gesamtgesellschaftliches und -staatliches Programm aufgelegt, genau diese Leistungsideologie sämtlichen Bundesbürgern, auch denen, die sie nicht gewählt haben, aufzudrücken. „Friß, oder stirb!“.

Die Gnadenlosigkeit hat zur Zeit gerade Konjunktur, das Recht des Stärkeren ersetzt die  Rechtsordnung. Vielleicht ändert sich jetzt im Bewußtsein doch etwas. Theo Zwanziger hat die sonst bei öffentlichen Auftritten von Vertretern des Profifußballs üblichen „Sprachregelungen“ komplett weggelassen, hat frei geredet und damit die Herzen aller Anwesenden und der Fernsehzuschauer  erreicht. Ich bin immer noch tief berührt von seiner Rede.


„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht" - mit diesem Spruch gedachte Teresa Enke ihrem Mann Robert in der Traueranzeige. 

„Some say love ...“ ist das Trauerlied, mit dem Robert Enke gerade im Moment aus dem Stadion zu seiner letzten Ruhestätte begleitet wird.  

12 Uhr 06 , 15. November 2009

Heidi Berg

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