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Lohndumping schon in der Ausbildung! 26|03|2008 KrankenpflegeschülerInnen wehren sich seit Mitte 2007 gegen sittenwidrige Ausbildungsvergütung.
Die streikenden Mitglieder während ihres Protest-Marsches am 16. November 2007
Wilhelmshaven – Vor mehr als 2 Jahren wurde das Reinhard-Nieter-Krankenhaus in Wilhelmshaven privatisiert, im gleichen Zuge wurden die Kranken- pflegeschülerInnen in die sogenannten allgemeinen Vertragsbedingungen [AVB] eingegliedert, die sie weit unter die Armutsgrenze drücken!
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Das Ausbildungsentgelt wurde drastisch gekürzt, sie bekommen weder Schicht – bzw. Wechselschichtzulagen noch eine Jahressonderzahlung, dafür haben sie weniger Urlaub und dürfen länger pro Woche arbeiten. Das bedeutet über 30 % Einkommens- verluste monatlich!
_______________________________________ Im Sommer 2007 stieß dann eine Krankenpflegeschülerin im `Infodienst Krankenhaus´ auf ein Urteil, da hatte doch tatsächlich, in einem nahezu gleichen Fall, eine Ver.di Kollegin in Schleswig-Holstein vor dem Landesarbeitsgericht gegen den Arbeitgeber geklagt und Recht bekommen!
Das Gericht befand, dass auch in nicht tariflich gebundenen Krankenpflegeeinrichtungen entsprechend dem Kranken- pflegegesetz eine `angemessene Ausbildungsvergütung´ gezahlt werden müsse. Angemessen sei nach geltender Rechtssprechung der gültige Tarifvertrag!
Dieses Urteil wurde jetzt vom Bundesarbeitsgericht bestätigt [Urteil vom 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06].
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Das war wie ein Weckruf für die über 100 betroffenen jungen Leute, sie beschlossen zu handeln! Als erstes kontaktierten sie den zuständigen Betriebsrat und dann die Vereinte Dienst- leistungsgewerkschaft! Alles ging sehr schnell, die Ver.di Jugend Weser-Ems plante ein erstes Treffen, fast alle waren anwesend. Jede/r wollte nicht länger diese Ungerech- tigkeit hinnehmen! Man einigte sich auf ein Wochenendtreffen, um einen Aktionsplan aufzustellen!
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Die Protestaktionen der Auszubildenden
im Zeitraffer:Juli 2007: Jeder Kurs schickte fünf Personen in eine Bildungsstätte nahe Leer [Ostfriesland], um sich inhaltlich vorzubereiten und die ersten kreativen Aktionen zu planen. Ziel war und ist nach wie vor, nicht nur den rechtlichen Weg zu gehen, sondern auch bis zur niedersächsischen Landtags- wahl im Januar 2008 und darüber hinaus, den Druck auf die Arbeitgeber und den politisch Verantwortlichen kontinuierlich zu erhöhen!
August 2007: Der ver.di Jugendsekretär Andre Hinrichs übergibt dem Arbeitgeber, der Schwesternschaft Übersee e.V., einen beachtlichen Stapel schriftlicher Geltendmachungen, in den man rückwirkend Nachzahlungen analog zum TVAöD fordert! Einen Tag später wird Andre Hinrichs von 40 KrankenpflegeschülerInnen zur Geschäftsleitung der Klinik begleitet, um auch Herrn Prof. Jörg Brost über die Geltendmachungen in Kenntnis zu setzen, er ist empört und beendet das Gespräch innerhalb von 2 Minuten.
September 2007: Betroffene Krankenpflegeschülerinnen wollen die Klausur- tagung der sogenannten `Jamaika – Koalition´ in Wil- helmshaven zum Anlass nehmen, um auf ihren Missstand hinzuweisen. Der Wirt der Gaststätte verweigert den jungen Leuten den Zutritt, aber die lautstarken Proteste vor der Tür konnten von CDU, FDP und den Grünen nicht überhört werden! Verschiedene regionale Politiker kommen aus dem Gebäude und geben uns die Möglichkeit zu sprechen. Prof. Günther Reuter [CDU] verspricht im Namen aller Anwesenden, sich mit dem Thema zu beschäftigen und sich schnellstmöglich zu melden. Bis heute warten die Auszubildenden auf eine Antwort! Die Ver.di Jugend Weser-Ems schreibt einen offenen Brief an die Sozialdemokratin Ursula Aljets, sie ist Vorsitzende im Krankenhausausschuss des Reinhard-Nieter-Kranken- hauses und mitverantwortlich für die negativen Ent- wicklungen! Auf eine Stellungnahme wartet die Ver.di Jugend Weser-Ems bis zum heutigen Tag vergeblich.
Oktober 2007: Mit einer Teilbetriebsversammlung im Reinhard-Nieter- Krankenhaus wurde die Auseinandersetzung um die Höhe der Ausbildungsvergütung für die Krankenpflege- schülerInnen fortgesetzt. Eingeladen waren Frau Dollek-Krey von der Schwestern- schaft Übersee e.V., die Klinikleitung vertreten durch Herrn Köhler, die betroffenen KrankenpflegeschülerInnen und ihre Gewerkschaft Ver.di. Die sehr gut besuchte Veranstaltung war im Beisein von Mitgliedern des Aufsichtsrates des Krankenhauses von einem sachlichen, dabei dennoch kontroversen Austausch geprägt. Die Arbeitgeberseite hatte nochmals betont, dass kein Geld für eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung vorhanden sei, geriet aber in Erklärungsnot, als es um die Ausbildungsfinanzierung ging, denn seit 2003 gibt es nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz eine Refinanzierung aller Ausbildungskosten! Der Verdacht wurde laut, dass das Geld vielleicht gar nicht dem Zweck entsprechend eingesetzt wird. Dabei brachten vor allem die betroffenen Krankenpflege- schülerInnen selbst nochmals ihr Unverständnis für die offenbar unnötig niedrige und im Vergleich zu anderen Schulen schlechtere Bezahlung zum Ausdruck.
November 2007: Die KrankenpflegeschülerInnen ziehen unter dem Motto `Pflege wie im Mittelalter´ mit Streitwagen und römischen Kostümen vom Krankenhausparkplatz zum Haupteingang der Klinik, ausserdem kenn- zeichneten sie das Klinikgelände mit folgendem Hinweis: "VORSICHT! Sie betreten einen Niedrig-Lohn–Sektor." Weitere Krankenpflege- schülerInnen verteilen Flug- blätter an PatientInnen, BesucherInnen und KollegInnen.
Dezember 2007: Die KrankenpflegeschülerInnen verfassen eine gemein- same Resolution, und wollen innerhalb von 3-4 Wochen weit über 1000 Unterschriften sammeln. Die Arbeitgeberseite kündigt eine geringfügige Erhöhung des Ausbildungsentgelts auf 81 % des TVAöD´s an und senkt die Wochenarbeitszeit von 40 auf 38,5 Stunden! Weiterhin werden keine Schicht – bzw. Wechselschicht- zulagen, sowie eine Jahressonderzahlung gezahlt! Die KrankenpflegeschülerInnen lehnen dieses Angebot strikt ab, sie fordern weiterhin eine Ausbildungsvergütung nach TVAöD und unterschreiben den Ergänzungsvertrag nicht!
Januar 2008: Beim DGB – Neujahrsempfang in Wilhelmshaven spricht der Krankenpflegeschüler Benjamin Röben, er unterstreicht noch einmal die Forderungen seiner KollegInnen nach einer gerechten Ausbildungsvergütung im Reinhard-Nieter- Krankenhaus und bittet die Anwesenden um Unterstützung. Im Anschluss dieser Veranstaltung bauen die Krankenpflege- schülerInnen einen Infostand in der Wilhelmshavener Fuss- gängerzone auf, um Unterschriften für die im Dezember verfasste Resolution zu sammeln, gleichzeitig wird mit Flyern über die Situation der Auszubildenden aufmerksam gemacht! Der Ver.di Jugendstand wurde direkt zwischen den Infoständen der politischen Parteien aufgebaut, mit dieser Aktion haben die jungen Leute den Parteien die Show gestohlen, die natürlich kaum noch Stimmen zur Landtagswahl in Niedersachsen werben konnten. Zwei Tage vor der Landtagswahl haben rund zwei dutzend KrankenpflegeschülerInnen den Wahlwerbeauftritt des Minister- präsidenten Christian Wulff in der Wilhelmshavener Nordsee- passage gestört. Sie hatten sich komplett in weiss gekleidet mit Trillerpfeifen und Fahnen direkt vor die Bühne positioniert, es wurden auch hier Flyer verteilt und Unterschriften gesammelt. Frau Biester, die Frau des Spitzenkanditaten der CDU war völlig entnervt und informierte ihren Mann Dr. Uwe Biester, der wiederrum völlig ratlos aussah! Ein Berater des Spitzenkanditaten empfiehlt, die Auszubildenden doch mit dem rhetorisch besser bestückten Ministerpräsidenten Wulff zu konfrontieren. Grosse Hoffnung machte sich bei den Auszubildenden breit, schliesslich war und ist das ihr Landesvater, doch von Rhetorik und dem Versprechen sich zu kümmern, blieb nach der Wahl nichts übrig!
Februar 2008: Die KrankenpflegeschülerInnen haben eine öffentliche Sitzung des Stadtrates genutzt und überreichen ihre Resolution mit über 1200 Stützunterschriften an den Ratsvorsitzenden der Stadt Wilhelmshaven Norbert Schmidt und die Vorsitzende des Krankenhausausschusses Ursula Aljets [beide SPD]. Norbert Schmidt sagt den betroffenen Auszubildenden zu, dass es ein Gespräch mit ihnen geben wird. Er ist der erste Politiker der sein Versprechen hält, es wird ein Treffen mit Schülervertretern, Betriebsrat und Gewerkschaft vereinbart. Bei diesem Treffen konnten die Schülervertreter, den Sozial- demokraten weitestgehend überzeugen, Norbert Schmidt versprach seinen Einfluss geltend zu machen, um mögliche Veränderungen zu bewirken!
März 2008:
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Als nächstes planen die Krankenpflege- schülerInnen einen "Azubi-Sklavenmarkt" in der Fussgängerzone in Wilhelmshaven. Sie wollen unter dem Motto:
"AZUBI FÜR LAU" junge Menschen an interessierte Passanten kostengünstig versteigern! Ausserdem werden mögliche Streikaktionen im Öffentlichen Dienst zum Anlass genom- men weitere Aktionen durchzuführen, auch wenn der Sozialdemokrat und Geschäftsführer des Reinhard-Nieter-Krankenhauses, Prof. Jörg Brost seinen Beschäftigten Grundrechte gerichtlich verbieten lässt, werden die Aktionen nicht abbrechen! Jedes Jahr beginnt ein neuer Ausbildungs- jahrgang und damit neue Motivation, also zieht euch warm an, hier kommt eine junge Generation die sich nicht länger ausbeuten lässt!
_______________________________________ Kommentar:Als mich im Sommer die KrankenpflegeschülerInnen aus Wilhelmshaven anriefen, war ich sehr überrascht, denn man ist es nicht gewohnt, dass sich junge Pflegekräfte die sich noch in der Ausbildung befinden gegen Ausbeutung wehren, schliesslich spielt das soziale Gewissen, die Ver- antwortung gegenüber den Patienten und die Angst vielleicht nicht übernommen zu werden eine grosse Rolle!
Doch irgendwann ist auch hier das Ende der Fahnenstange erreicht, wie viele Opfer denn noch? Was bringt mir eine Übernahme, ohne Perspektive für die Zukunft? Mehrarbeit, Lohnkürzungen um die 30 %, Abschaffung der Mitbestim- mung, Streichung der Schicht – und Wechselschichtzulagen und keine Sonderzahlungen! Diese junge Generation wird um ihre Zukunft betrogen, sie haben die gleichen Wünsche wie ihre Eltern vor 30 Jahren, sie wollen eine glückliche und gesunde Familie, sie wollen finanzielle Sicherheit und sie wollen für ihre Arbeit Wertschätzung! Wie viel ist die Arbeit mit Menschen im Gesundheitswesen noch wert?
Warum kann der Staat, Banken denen die Pleite droht mit Milliarden unterstützen? Warum wird dieses Geld nicht in das Gesundheitssystem und in unser marodes Bildungs- system investiert? Warum schafft es die Politik nicht, trotz linker Mehrheit, ein gerechtes Steuersystem zu etablieren? Oder gibt es die sogenannte linke Mehrheit gar nicht? Sind die demokratischen Parteien vielleicht alle etwas nach rechts gerückt? Diese ganzen Fragen stelle ich mir nicht alleine, meine junge Generation will Antworten und das am besten gestern!
Kämpferische Grüsse, Andre Hinrichs ver.di | Jugend | Weser-Ems 04921 fon 92 05 20 0160 mobil 90 10 76 41 email: andre.hinrichs@verdi.de] _____________________________________________________
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