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Jobagentur will bei Jugend sparen
29|03|2010



Muß doch erhebend sein, einen Job auszuüben, für den man in der Regel überqualifiziert ist, nur weil Kommunen sparen müssen.

Offener Brief an den 2. Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Herrn Heinrich Alt: Jobagentur will bei Jugend sparen

Sehr geehrter Herr Alt,

die "Rheinische Post" veröffentlichte am 24.03.2010 unter dem Titel "Jobagentur will bei Jugend sparen" ein mit Ihnen geführtes Interview:
BA-Vize Alt im Interview: Jobagentur will bei Jugend sparen

Unter anderem äußerten Sie in dem Interview:

"Die Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts muss anders aussehen als die des 20.! Im Moment wird ein Hilfeempfänger zu 100 Prozent vom Sozialstaat versorgt, dadurch nehmen wir ihm Stolz und Antrieb, nach eigenen Erfolgen zu suchen. Eine Wohn-Pauschale würde Anreize schaffen, sich günstigeren Wohnraum zu beschaffen."

Des weiteren sind unter ihrem Wikipediaeintrag auf Sie bezogene Aussagen zu lesen:
"Er setzt sich für die Kürzung der Arbeitslosengeld-II-Regelsätze bei Jugendlichen unter 25 Jahren ein."

"Er äußerte sich in Bezug auf die Wirtschaftskrise mit der Aussage, dass jeder Mensch, der in Beschäftigung bleibe, wertvoller sei, als der, der keine habe."

In Ihren Aussagen, Herr Alt, meine ich zwischenzeilig abzulesen, dass Sie Hilfebezieher als arbeitsunwillige, nur Transferleistungen abzockende Schmarotzer abqualifizieren. Überdies gewinne ich den Eindruck, dass Sie die Öffentlichkeit mittels der von Ihnen favorisierten Wohnraumpauschale davon überzeugen möchten, dass Hilfebezieher Kürzungen ihrer Hartz IV-Bezüge als Anreize für schlechtere Wohnbedingungen bzw. verhältnisse bräuchten.

Klartext:
Sie versuchen mit Ihren gegen Wehrlose gerichteten Anwürfen dem Staat, dem Sie als Beamter treu zu dienen gedenken, Gelder einzusparen. Ist das aber Ihre Aufgabe, sich öffentlich quasi wie ein FDP-Politiker gegen Sozialleistungen, welche Arbeits- bzw. Erwerbslose zustehen, Stimmung zu erzeugen und neoliberale Positionen gegen Arbeits- bzw. Erwerbslose zu vertreten?

Ist das insoweit vereinbar mit Ihrer Vorstandsarbeit in der Bundesagentur für Arbeit und Ihrem Amtseid, Schaden vom Volke abzuwenden? Oder haben Sie Ihre Klientel, die Arbeits- bzw. Erwerbslosen, bereits als dem deutschen Volke nicht mehr zugehörig befunden, also selektiert?


Wo bleibt Ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Hilfebeziehern in Ihrer Bundesagentur für Arbeit, Herr Alt? Ist Fürsorgepflicht nicht eine ethische Pflicht, welche die Achtung der Menschenwürde einbeziehen sollte? Mir scheint, eine derartige Fürsorgepflicht lassen Sie mit Ihren vorgenannten Aussagen außer Acht. Provokation, Zynismus und Menschenverachtung, diese Begriffe fallen mir dazu spontan ein.

Sogenannte Hartz IV-Bezieher, Herr Alt, sind keine Almosenempfänger, die, wie bereits Herr Westerwelle meinte, spät-römischer Dekadenz verfallen seien. Diese Menschen sind SGB II-Leistungsberechtigte, die Ansprüche auf diese Leistungen haben und diese ihnen zustehenden Leistungen nach Antragstellungen und -prüfungen auch entgegennehmen dürfen. Gemäß § 17 SGB I [1] sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. Das unter anderem sehen die Sozialgesetze, die von Politikern geschaffen bzw. beschlossen wurden, vor. Sie jedoch sind kein Politiker, Herr Alt, was aber nicht bedeutet, dass Ihnen die Sozialgesetze fremd wären, denn schließlich sitzen Sie auf einem Vorstandssessel der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.
 
Da Sie seit geraumer Zeit so genau nach finanziellen Einsparmöglichkeiten suchen, hier meine Empfehlung, Herr Alt:
Wieso kümmern Sie sich nicht vorrangig mal um die Unzulänglichkeiten in Ihrem eigenen Hause, d.h. in den bundesweiten Arbeitsagenturen und ARGEn? Hätten Sie da nicht genügend Anlässe, sich über hausinterne Verfehlungen zu beschweren, statt hilfebedürftige Menschen öffentlich zu verunglimpfen und zu beleidigen?   

Nachfolgend möchte ich Ihnen zur Lektüre den Artikel "Sachbearbeiter betrügen hilfsbedürftige Bürger" empfehlen.

Ich selbst empfehle mich nunmehr bestens



Hans-Günter Osterkamp

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